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Die verdächtigen Kinder werden per Post zur Altersbestimmung eingeladen.

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Altersbestimmung: Kinderdealer – Ermittlung per Post

Schriftlich werden Berliner Verdächtige zur Altersbestimmung gebeten – doch die Angeschriebenen reagieren darauf nicht und sind längst wieder weg. CDU-Polizeiexperte Trapp nennt das Vorgehen der Justiz "weltfremd".

Berlin - Die von der Polizei gewünschte Altersbestimmung sogenannter Kinderdealer wird durch bürokratisches und praxisfernes Vorgehen behindert und verzögert. Am Montag wurde bekannt, dass die verdächtigten Kinder per Post „eingeladen“ wurden, zur Untersuchung zu erscheinen – keines der Angeschriebenen reagierte jedoch darauf. So war es auch im Fall Hassan el F., bestätigte am Montag Michael Tsokos, der Leiter der Berliner Rechtsmedizin: „Wir haben ihn drei Mal per Post eingeladen und er ist nicht gekommen.“ Daraufhin habe die Charité den Fall an das Amtsgericht Tiergarten zurückgegeben – mit der Bemerkung „kommt nicht“. Dieses Vorgehen mit „Einladungen“ sei üblich. „Welcher Kriminelle kommt schon freiwillig“, spotten dagegen Ermittler. Da es in Berlin keine geschlossenen Heime gibt, reißen die jungen Dealer ohnehin meist am gleichen Tag wieder aus. Auch Hassan el F. war wiederholt geflohen, über 20 Mal. Nachdem er nicht freiwillig kam, erließ die Justiz mit zweimonatiger Verzögerung einen Beschluss zur zwangsweisen Vorführung. Am 24. September wurde el F. von der Bundespolizei am Ostbahnhof aufgegriffen – und sofort zum Arzt gebracht. Der Gutachter Bernd Kopetz aus Bad Saarow ermittelte innerhalb weniger Tage das tatsächliche Alter mit „mindestens 21, möglicherweise sogar noch deutlich älter“. El F. sitzt nun seit 6. Oktober in Untersuchungshaft.

Die beiden Rechtsmediziner Tsokos und Kopetz kritisierten das Verfahren mit schriftlichen Einladungen als völlig untauglich. „Freiwillig kommt so gut wie nie einer“, sagte Kopetz, „warum sollten sie auch?“ Rauschgifthändler oder Zigarettenverkäufer wollten als „Kinder“ ja gerade der Strafverfolgung entgehen.

Der CDU-Polizeiexperte Peter Trapp nannte das Vorgehen der Justiz „weltfremd“. Berlin Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) wollte den Beschluss eines unabhängigen Gerichtes nicht bewerten.

Ein weiteres Problem behindert die Arbeit der Ermittler: Die Altersbestimmung in Berlin ist laut Tsokos derzeit nahezu unmöglich, da der einzige Experte der Charité vor Wochen gekündigt habe. Nun werde dieser Bereich von der Charité privatisiert, sagte der Rechtsmediziner. Der abgewanderte Experte solle einmal im Monat nach Berlin kommen. Drogenfahnder des Landeskriminalamts (LKA) kritisierten dies als untauglich. „Der Arzt muss da sein, wenn wir ihn brauchen“, hieß es. Hassan el F. ist bislang der einzige von acht Kinderdealern auf einer Liste des LKA, der medizinisch überführt wurde.

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