zum Hauptinhalt
Die brandenburgische Sozialministerin Diana Golze (Die Linke) steht seit Wochen unter Druck.

© Ralf Hirschberger/dpa

Arzneimittel-Skandal im Brandenburg: Unsaubere Arbeit im Ministerium

Lunapharm soll die Betriebserlaubnis entzogen werden. Doch der unter Hehlereiverdacht stehende Medikamentenhändler darf vorerst weitermachen.

Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) will das Versagen der Behörden aufklären, will verhindern, dass sich der Pharmaskandal um möglicherweise illegale Krebsmedikamente wiederholt. Doch prompt zeigt sich, dass das Golze unterstehende Landesgesundheitsamt nach dem vor drei Wochen bekannt gewordenen Versagen im Umgang mit mutmaßlich illegalem Arzneihandel nun selbst das Krisenmanagement nicht im Griff hat. Beim Versuch, hart durchzugreifen gegen den unter Hehlereiverdacht stehenden Medikamentenhändler Lunapharm in Mahlow, sind offenbar Fehler gemacht worden.

Lunapharm darf vorerst weitermachen

Deshalb darf die Firma vorerst weitermachen – trotz der seit Ende 2016 dem Gesundheitsamt vorliegenden Verdachtsmomente auf einen groß angelegten Handel mit Krebsarznei, gestohlen in griechischen Krankenhäusern, laut örtlicher Behörden wegen fehlender Kühlung möglicherweise unwirksam. Trotz der seit Frühjahr laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Hehlerei und Verstößen gegen das Arzneimittelrecht. Und trotz der Unregelmäßigkeiten beim vor knapp zwei Wochen in Bayern abgefangenen Lunapharm-Transport.

Das harte Vorgehen war von Golze durchaus erwartet worden. Sie steht unter Druck – seit drei Wochen, als der Skandal publik wurde und auch die Ministeriumsspitze kalt erwischt hat. Nach dem ersten Zögern startete sie einen Rückruf von Krebsmedikamenten aus Griechenland, krempelte das Ministerium um und ordnete Zuständigkeiten neu. Sie ließ Lunapharm die Betriebserlaubnis entziehen und Proben beschlagnahmen.

Und auch die Staatsanwaltschaft durchsuchte die Geschäftsräume erneut. Golze berief eine Task Force, hochrangig besetzt, die Versagen und Defizite in Gesundheitsamt und Ministerium untersuchen, Schutzmaßnahmen erarbeiten und Reformbedarf beim Patientenschutz auf Bundes- und EU-Ebene prüfen soll.

Der Entzug der Betriebserlaubnis sollte ein klares Zeichen sein – nämlich Handlungsfähigkeit zeigen. Doch rechtlich ist offenbar unsauber gearbeitet worden. Das Verwaltungsgericht Potsdam, das über einen Eil-Antrag von Lunapharm zu entscheiden hat, äußerte in einem rechtlichen Hinweis Bedenken, wie der Tagesspiegel erfuhr. Konkret geht es um die per amtlichem Bescheid ergangene Begründung. Nun muss das Landesgesundheitsamt nachlegen: Bis das Gericht in der nächsten Woche entscheidet, kann die Behörde nachsteuern oder einen neuen Bescheid erteilen.

"Erhebliche Abweichungen zwischen Lieferschein und transportierten Ware"

Anhaltspunkte für ein hartes Vorgehen sieht das Ministerium im Nachhinein genügend. Es erfuhr vor drei Wochen aus der Presse von den Machenschaften, die Führungsspitze war vom Gesundheitsamt nicht informiert worden und hat selbst bei der Aufsicht versagt. Jedenfalls wäre es, so hat es Golze zugegeben, bereits im Frühjahr 2017 möglich gewesen, die Medikamente zu beschlagnahmen und Lunapharm den Handel zu untersagen.

Selbst jetzt sieht das Ministerium genügend Gründe, Lunapharm den Handel zu verbieten. Als das Landesamt vor zwei Wochen, an einem Freitagnachmittag, den Firmensitz in Mahlow inspizierte und den Bescheid zum Entzug der Betriebserlaubnis überreichte, stießen die Beamten auf Lieferlisten.

Demnach war Stunden zuvor ein Lunapharm-Transport gestartet, die Ware kam unter anderem aus Litauen, das Ziel: Bayern. Der Wagen konnte ausfindig gemacht und gestoppt werden. Es handelte sich um Krebsmedikamente, reimportiert aus Griechenland, von Lunapharm umverpackt.

Das vorläufige Ergebnis der Prüfung: „Die Aufsichtsbehörden aus Bayern haben erhebliche Abweichungen zwischen dem Lieferschein und der tatsächlich transportierten Ware festgestellt.“ Dies sei „ein weiterer Beleg dafür, dass die Zuverlässigkeit der Geschäftsführung“ von Lunapharm „nicht gegeben zu sein scheint“.

Die Fehler der Behörde beim Bescheid haben auch mit Golze zu tun. Zumindest fehlten dort zwei Experten, die Golze beurlaubt hatte – wegen Korruptionverdachts, der aber falsch war, wie die Staatsanwaltschaft amtlich bestätigt hat. Entscheidend für Golzes politische Zukunft dürfte der Rückhalt in ihrer eigenen Partei sein – und der bröckelt immer mehr.

„Wir haben als Partei und Fraktion schon viele schwere Situationen durchgemacht"

Ralf Christoffers, Linke-Fraktionschef im Landtag, stellte sich am Donnerstag eher halbherzig vor seine Landesparteivorsitzende. Ihn selbst mache der Vorgang „wütend und fassungslos“, sagte er. Trotzdem stehe nun nicht die Frage der politischen Verantwortung an erster Stelle. „In solchen Situationen tritt man nicht zurück, man klärt auf“, sagte Christoffers. Er persönlich schätze Golze als „integre und fähige Politikerin“ und traue ihr die Aufklärung zu. „Im Ergebnis der Aufklärung kommt man dann zu Schlussfolgerungen – darüber werde ich aber nicht spekulieren“, sagte Christoffers.

Die Frage, ob Golze nach dem Skandal die Partei noch als Spitzenkandidatin in den Landtagswahlkampf 2019 führen könne, wollte er nicht beantworten. „Das ist Sache der Partei, nicht der Fraktion.“ Bedingungslose Rückendeckung klingt anders. Zumal Golze, über Jahre aufgebaut, stets gefördert von den Parteigranden, auch enttäuscht hat: Die Übernahme des Sozialressorts sollte die Partei mit Kernthemen der Linken nach vorn bringen. Dabei habe sie aber wenig geglänzt, ist zu hören.

Es rumort in der Partei. Hinter CDU, SPD und AfD ist die Linke Umfragen zufolge nur noch viertstärkste Kraft im Land. „Wir haben als Partei und Fraktion schon viele schwere Situationen durchgemacht“, sagte Christoffers. Die Stimmung in der Fraktion sei angespannt, auch von der Basis käme Unverständnis.

„Wir haben auch eine Reihe von Anrufen von Betroffenen bekommen“, berichtete Christoffers. Um ihre Sorgen solle man sich nun primär kümmern, indem man umfassend aufkläre. Golze will sich dafür bis Ende August Zeit lassen, dann soll die Task Force ihren Bericht vorlegen.

Diese Linie trägt die SPD in der Koalition noch mit – geht aber auf Distanz. Aus der Landtagsfraktion wird Golze wenig Vertrauen entgegengebracht. Die Opposition hat Golze eine Frist bis nächste Woche gesetzt. Die Krise hat ihre eigene Dynamik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false