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Dieter Glietsch

© Thilo Rückeis

Berliner Polizei: Mit offenem Visier gegen den Korpsgeist

Polizeipräsident Glietsch zeigt Härte bei Beamten, die grundlos Gewalt anwenden – wie am 1. Mai.

Geschlossene Einheiten maskierter Polizisten. Korpsgeist. Interne Ermittler, die nach Prügelorgien gewalttätiger Kollegen kein Licht ins Dunkel bringen – oder bringen wollen. Das Image der Berliner Polizei war nicht immer das beste – Polizeipräsident Dieter Glietsch trat 2002 auch an, um es zu verbessern. Als am 1. Mai Bilder eines Polizisten, der einem am Boden liegenden Demonstranten gegen den Kopf trat, im Internet auftauchten, leitete die Polizei noch am selben Abend ein Ermittlungsverfahren gegen den Beamten ein. Der Polizist wird bis zum Ende der Ermittlungen nicht mehr in seiner Einheit eingesetzt.

Als Glietsch vom rot-roten Senat zum Polizeipräsidenten ernannt wurde, war er in Berlin unbekannt – und alles andere als ein Wunschkandidat altgedienter Polizisten. Unerwartet hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Nordrhein-Westfalen als Nachfolger für den aus dem Amt geschiedenen Hagen Saberschinsky präsentiert. Doch Rechtsanwälte, Justizmitarbeiter und Politiker versichern: Der unter seinen Kollegen umstrittene Glietsch habe für Transparenz gesorgt, die Polizei sei selbstkritischer geworden. Im vergangenen Jahr etwa ist gegen Beamte einer Hundertschaft wegen Verdachts der Körperverletzung im Amt ermittelt worden. Die Beamten sollen sich mit verbotenen Quarzhandschuhen, die beim Zuschlagen ernste Verletzungen hervorrufen können, ausgestattet haben. Mehrere Kollegen hätten dies nicht decken wollen und Anzeige erstattet – auch dank einer neuen Polizeikultur, meint man in Justizkreisen. „In der Ära Glietsch ist die Polizei moderner und transparenter geworden – sie reagiert schneller auf eigenes Fehlverhalten“, sagt der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux. Wichtig sei gerade auf Demonstrationen aber weiter die Beobachtung durch Bürger. Die Grünen fordern außerdem einen externen Polizeibeauftragten. Ähnlich sieht das der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). „Wenn Straftaten der Polizei bekannt werden, muss die Behörde ermitteln – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Leider ist das nach unserer Erfahrung bei Polizeigewalt nicht immer so“, sagt Strafrechtler Peer Stolle vom RAV. Die schnellen Ermittlungen gegen den Beamten vom 1. Mai begrüße man deshalb.

„Gegen Täter aus den eigenen Reihen ist man auch vor Glietsch vorgegangen“, sagt CDU-Innenexperte Peter Trapp. „Er ist aber offensiver.“ Glietsch trete dem Eindruck, man arbeite hinter verschlossenen Türen, entgegen. Wenig Lob für den Präsidenten findet hingegen die Gewerkschaft der Polizei. Korpsgeist habe es lange vor Glietsch nicht mehr gegeben, allenfalls Kollegialität, sagte der Berliner Chef der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg. Personalvertreter hatten zuletzt neben „rigidem Führungsstil“ auch „Vorverurteilungen“ durch Glietsch kritisiert.

Unabhängig davon, wie Ermittler inzwischen mit Polizeitätern umgingen, gebe es noch viel zu tun, erklärten kurz vor dem 1. Mai mehrere Juristen. Strafverteidiger Sven Lindemann berichtete, dass es 2008 mehr als 630 Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Berliner Beamte gegeben habe – verurteilt worden sei nicht einer. In einer vom Senat beauftragten Studie zum 1. Mai 2009 heißt es, prügelnde Polizisten anzuzeigen, komme betroffenen Demonstranten oft sinnlos vor.

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