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Update

Brandserie: Wieder brennende Autos in Berlin

In der Nacht zum Mittwoch brannten wieder 15 Autos. Die Feuerspur zog sich von Spandau über Charlottenburg und Mitte bis nach Lichtenberg. Körting: "Eine schreckliche Serie".

Die Zahl der brennenden Autos nahm im Laufe der Nacht fast im Viertelstundentakt zu. Die Ermittler gehen in allen Fällen von politisch motivierter Brandstiftung aus. Gegen 23.00 Uhr brannte es in Spandau, dann in Charlottenburg und später auch in Mitte und Lichtenberg. Ziel der Brandstifter waren mit einer Ausnahme Autos der Marken Mercedes, BMW und Audi. In Charlottenburg brannten zehn Fahrzeuge, in Mitte und Spandau schlugen die Täter jeweils bei zwei PKW zu, in Lichtenberg setzten sie ein Auto in Brand. Auch ein Lastwagen-Ahnhänger (Spandau) und ein Motorroller (Lichtenberg) brannten.

Immer wieder gingen Meldungen über brennende Autos ein. Polizei und Feuerwehr kamen kaum hinterher. Zwar brannten die meisten Autos in Charlottenburg. Doch in der Nacht zum Mittwoch erwischte es auch viele Autos im Norden des Bezirks, der an Spandau grenzt und eine sehr gemischte Bewohnerstruktur hat. Das macht die Suche nach den Brandstiftern für die Polizei immer schwieriger.
Die Serie an Brandlegungen hält seit Wochen an.

Auch in der Nacht zum Dienstag zogen Brandstifter ihre Feuerspur von Westend bis nach Charlottenburg: Innerhalb einer guten Stunde wurden elf Autos angezündet. Durch die Brände wurden zudem sieben Fahrzeuge beschädigt. Der oder die Täter hatten es dabei offenbar vor allem auf Marken wie Mercedes und BMW abgesehen. Wieder ist es ein gutbürgerlicher Bezirk, den sich die Täter zum Zündeln ausgesucht haben: Bereits in der Nacht zu vorigen Donnerstag waren in Steglitz und Zehlendorf neun Autos angezündet worden, in der Nacht zu Freitag brannten vier Autos in Charlottenburg und Schöneberg.

Für diese beiden Brandnächte hoffen die Ermittler auf Hilfe aus der Bevölkerung. Für Hinweise setzt die Staatsanwaltschaft eine Belohnung von bis zu 5000 Euro aus.

"Wir haben eine schreckliche Serie. Als Bürger habe ich eine ungeheure Wut, auf das, was da passiert", sagte Körting am Mittwoch im RBB-Inforadio. Andererseits müsse die Polizei einen "kühlen Kopf behalten". Man wisse leider nichts über den oder die Täter, sagte Körting. Es gebe teilweise einen linksextremistischen Hintergrund. Inzwischen spiele aber auch die Nachahmung eine große Rolle. Körting schließt soziale Ursachen aus. "Ich glaube nicht, dass es eine Frage von Arm und Reich ist", sagte er. "Ich glaube wirklich, dass es eine Frage von feigen Tätern ist, die es dieser Gesellschaft zeigen wollen und die vielleicht überhaupt nicht selber in irgendeiner kritischen Situation sind." Die Einrichtung einer Sonderkommission, wie von CDU-Fraktionschef Frank Henkel gefordert, lehnte Körting ab. Das Landeskriminalamt habe eine eigene Abteilung, die sich mit den Brandanschlägen befasse. Das sei ausreichend. In den vergangenen Tagen wurden nach Angaben des SPD-Politikers zudem die sogenannten Brandstreifen von Polizisten verstärkt.

In Sicherheitskreisen wird ein Verdacht geäußert, der schockiert. Als Täter könnte der am vergangenen Mittwoch zu einer eher milden Strafe verurteilte Autozündler infrage kommen. Das Amtsgericht Tiergarten hatte gegen den Mann aus der linken Szene ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung verhängt, weil er am 16. Mai in Friedrichshain einen BMW angesteckt hatte. Nach dem Urteil kam er aus der Untersuchungshaft frei.

Die Brandserie in der Nacht zu Dienstag begann um 0.10 Uhr in der Gotha-Allee. Dort brannten ein BMW und ein Audi A4. Nur zwei Minuten später standen in der Reußallee ein BMW und ein Mercedes in Flammen. Um 0.13 Uhr legten die Täter an einem Mercedes in der Altenburger Allee Feuer. Als nächstes brannte in die Eichenallee um 0.15 Uhr ein BMW. Nur 15 Minuten vergingen, dann standen in der Lindenallee zwei BMW in Flammen. Daneben legten die Zündler an einem weiteren Mercedes Feuer. Um 0.55 Uhr ging die Brandserie in Charlottenburg weiter: Am Witzlebenplatz brannte ein Audi. Kurz danach um 1.10 Uhr in der Fasanenstraße attackierten die Täter wieder einen Mercedes. Bei fast allen Bränden wurden weitere Fahrzeuge in der Nähe beschädigt.

Damit gab es 2011 bereits mehr als doppelt so viele mutmaßlich politische Brandstiftungen an Autos wie im Vorjahr. 2010 waren insgesamt 54 Fahrzeuge angezündet worden. Nur 2009 hatte die Zahl mit insgesamt 221 Autos weit höher gelegen.

„Wir Grüne verurteilen diese Anschläge auf Autos scharf“, sagte Grünen- Fraktionschef Volker Ratzmann am Dienstag laut Nachrichtenagentur dapd. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) müsse den Berlinern sagen, was er zu tun gedenke, damit die Polizei schnell für Aufklärung sorgen könne. „Für uns gilt: Null gesellschaftliche Akzeptanz für Autobrandstiftungen“, sagte Ratzmann.

CDU-Fraktionschef Frank Henkel sprach von einem „dramatischen Sittenverfall“. Der Vandalismus habe „unerträgliche Ausmaße“ angenommen und sich zu einem „Flächenbrand“ entwickelt. „Unsere Forderung nach Einrichtung einer Sonderkommission wird seit Jahren abgeblockt.“ Der Kampf gegen die Brandanschläge auf Autos müsse endlich „politische Priorität“ erhalten. „Brennende Autos, Anschläge auf die S-Bahn, Farbbeutel oder Brandsätze gegen staatliche Einrichtungen und private Bauprojekte sind kein Ausdruck politischer Forderungen, sondern kriminelle Gewalttaten“, sagte FDP-Chef Christoph Meyer.

Angesichts der anhaltenden Anschlagsserie forderte die Deutsche Polizeigewerkschaft höhere Belohnungen für Hinweise auf Täter. Weil die Brände stets in Sekundenschnelle gelegt würden, könnten Polizisten die Brandstifter ohne Mithilfe aus der Bevölkerung nicht fassen, sagte der Berliner Landesvorsitzende, Bodo Pfalzgraf. Eine Sprecherin von Körting sagte, der Innensenator lasse das zurzeit prüfen. Dabei gehe es vor allem um Informationen zu geplanten Aktionen. Für die jüngsten Taten sind jeweils bis zu 5000 Euro Belohnung ausgesetzt.

Eine Spur zu einem Täter hat die Polizei noch nicht. Angesichts der zeitlichen und räumlichen Nähe der Brandstiftungen sei eine Serientat wahrscheinlich, sagte ein Ermittler. Vermutet wird, dass ein oder mehrere Zündler mit Fahrrädern unterwegs waren und einen Wagen nach dem anderen angesteckt haben.

Der Verdacht fällt auch auf den am vergangenen Mittwoch verurteilten Mann, weil Indizien eine Täterschaft vermuten lassen. Der Mann war am 10. Juni zusammen mit einer weiteren Person in Moabit festgenommen worden – kurz nach einer ähnlichen Serie. Damals brannten acht Wagen, Tatorte waren unter anderem ebenfalls Westend und Charlottenburg. Sicherheitsexperten sprechen von Taten „wie an einer Perlenschnur“, sowohl am 10. Juni als auch jetzt. Auch damals gingen ebenso Fahrzeuge der Marken BMW, Mercedes und Audi in Flammen auf.

Bei der Festnahme am 10. Juni hatten der Mann und sein Begleiter einen Beutel mit Grillanzündern dabei. Beide Männer waren mit Fahrrädern unterwegs. Die Ermittlungen laufen noch. Bei der Tat am 16. Mai in Friedrichshain hatte der am Mittwoch Verurteilte ebenfalls ein Fahrrad dabei. Dem Mann wurde damals zum Verhängnis, dass ein Ehepaar von einem Balkon aus die Brandstiftung an einem BMW fotografierte. Die Zeugen riefen auch die Polizei, eine Beamtin konnte die noch kleine Flamme auspusten.

Sicherheitskreise halten es für möglich, dass der verurteilte Mann sich in einen Hass gegen BMW, Mercedes und Audi hineingesteigert hat. Der Anwalt des Mannes sprach hingegen von „Stimmungsmache“ und „völliger Spekulation“. Außerdem betonte er, zu der Brandserie vom 10. Juni gebe es gegen seinen Mandanten nur einen Anfangsverdacht. (Mit dapd/dpa)

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