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Ein ausgebranntes Auto, aufgenommen am 18.8.2011 in Berlin.

© dpa

Brandstifter gefasst: "Schade um das verpfuschte Leben"

Ein Opfer des gefassten Serienbrandstifters empfindet eher Mitleid als Wut. Warum André H. seinen Sozialneid durch Autozündeleien auslebte, ist der Polizei noch nicht klar. Es wird weiter ermittelt.

Bislang hat er gestanden, 67 Autos angezündet zu haben, dabei gerieten insgesamt mehr als 100 Fahrzeuge in Brand – doch die Polizei ist nach der Verhaftung des 27-jährigen André H. am Wochenende mit den Ermittlungen nicht am Ende. „Es muss geschaut werden, inwieweit er für weitere Taten in Frage kommt“, sagte ein Beamter. André H., gelernter Maler und Lackierer, lebte mit seiner älteren Schwester und der schwer kranken Mutter in einer Wohnung im ersten Stock eines Mietshauses unweit der Spree in Moabit. Die Mutter soll in einer Holzwerkstatt gearbeitet haben. Aus „Frust“ habe er gezündelt, soll H., der im Tatzeitraum Hartz IV empfing, den Ermittlern erzählt haben. Bisher war er strafrechtlich nicht auffällig.

Die Beamten sprechen bei H. von einem „diffusen Sozialneid“ auf andere, „psychisch auffällig“ sei das schon. Nachbarn erzählen, die Mutter von H. sammele regelmäßig Pfandflaschen, seine Schwester war damit auch am gestrigen Montag beschäftigt. Einige sagen, den 27-Jährigen selbst habe man kaum gesehen. Warum H. seine Wut mit dem Abfackeln von Autos abreagiert hat, ist unklar. Die Serie von Autobränden, für die er verantwortlich sein soll, endete plötzlich im August. Damals hatte H. einen Job bei einer Zeitarbeitsfirma, die Caterings organisiert, gefunden.

In Justizkreisen hieß es am Dienstag, man gehe nicht davon aus, dass die Anklage wegen schwerer Brandstiftung noch dieses Jahr erhoben wird. Geprüft werde nun, ob André H. für weitere Brandstiftungen verantwortlich sei. Dies könne dauern, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zwar stehen auf schwere Brandstiftung bis zu zehn Jahre Haft, Kenner gehen jedoch davon aus, dass der mutmaßliche Autobrandstifter nicht so lange ins Gefängnis muss. „Für Totschlag gibt es in der Regel acht Jahre, da wird man einen Brandstifter nicht zehn Jahre hinter Gitter bringen“, sagte ein Beamter. Fünf Jahre Gefängnis seien realistisch, schon weil H. auch Menschenleben gefährdet haben könnte: Ende Juli soll er Fahrzeuge einer Autovermietung angezündet haben, über dem betroffenen Parkplatz befindet sich ein Altenheim. Der Parkplatz verfügt außerdem über eine Tanksäule, weshalb Explosionsgefahr bestand.
Nur ein Tag zuvor hatte fast ein Wohnhaus in Lichtenrade Feuer gefangen: Dort soll André H. einen Mercedes, der in dem Carport des Hauses stand, angezündet haben. Eine meterhohe Stichflamme schlug dabei bis unter das Dach. Weil die Hausbesitzer durch den Knall wach geworden waren, konnten sie sich ins Freie retten. „Wir haben seit einem Vierteljahr die Handwerker im Haus, weil das Dach komplett neu gemacht werden musste“, sagte die Hausbesitzerin. „Im Badezimmer ist so gut wie jede Fliese verrußt.“ Der materielle Schaden samt abgebranntem Mercedes liege bei 150 000 Euro. „Das Auto war vollkaskoversichert, die Hausschäden übernehmen die Versicherungen“, sagte sie.
Viel schlimmer sei der Stress, den die Schäden für alle Beteiligten verursachten. „Wir haben die obere Etage an ein Rentnerpaar vermietet. Die mussten wegen der Renovierungsarbeiten sechs Wochen zu ihrer Tochter nach Rostock ziehen.“

Dennoch hält sich ihr Zorn in Grenzen. Was sie empfinde, nachdem der mutmaßliche Täter gefasst wurde? „Eher Mitleid als Wut“, sagte die Frau. „Es ist schade um dieses verpfuschte Leben, denn der kommt wohl nicht mehr auf die Beine.“ Eine Zivilklage strebe sie nicht an. „Das bringt doch nichts als Ärger.“ In der Öffentlichkeit war lange darüber spekuliert worden, dass Linksradikale hinter den Bränden stecken könnten. Befeuert wurde dies zuletzt durch die Festnahme eines Verdächtigen im September, der in einem alternativen Wohnprojekt wohnte. Verfassungsschützer und Staatsschutzbeamte hatten in der Vergangenheit zu bedenken gegeben, dass viele der Brandstiftungen wohl eher von unpolitisch gesinnten Jugendlichen und jungen Männern verübt werden. Auch in der Nacht zu Montag wurde in Lichtenberg ein Auto angesteckt. Mit Blick auf André H., der keine Verbindung zur linken Szene hatte, sagte der CDU-Rechtsexperte Peter Trapp: „Wer weiß, wer als nächster Täter geschnappt wird?“ Die Zählweise der Berliner Polizei, wonach vor allem dann der für politische Taten zuständige Staatsschutz ermittelt, wenn angezündete Autos besonders teuer waren, sei verständlich. In Hamburg, der einzigen deutschen Stadt in der ebenfalls regelmäßig Autos brennen, zählen die Behörden anders: Nur wenn sich Linke zu einer Brandstiftung bekannt hätten, etwa durch Bekennerschreiben oder am Tatort hinterlassene Symbole, wird diese als politisch motiviert eingestuft. „Wer sich bei Spekulationen ausschließlich auf Linksradikale konzentrierte“, sagte der grüne Innenexperte Benedikt Lux, „hat sein politisches Süppchen gekocht und ist nun dabei entlarvt worden.“

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