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Finn Tesmer (links) und Michael Bäumer vom Bündnis "Jugend für Steglitz-Zehlendorf"

© Anett Kirchner

Bündnis „Jugend für Steglitz-Zehlendorf“: „Wenn Schwarz zu Blau wird, muss der Himmel rot werden“

Eine Gruppe Jugendlicher beklagt in Steglitz-Zehlendorf eine Annäherung zwischen CDU und AfD. Sie wollen in ihrem Bezirk mitentscheiden.

Still und leise, von vielen Anwesenden unbemerkt, hatten sich in der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf im Januar etwa 20 Jugendliche in die letzte Reihe des Publikums gesetzt. Gegen Ende der ersten Einwohneranfrage hielten sie plötzlich große, weiße Zettel in die Höhe auf denen der Satz stand: „Wenn Schwarz zu Blau wird, muss der Himmel rot werden.“ Irritation in den Reihen der Bezirksverordneten. Einige schauten sich ratlos um. Schulterzuckend. Es blieb mucksmäuschenstill. Schließlich reagierte der Bezirksvorsteher Renè Rögner-Francke (CDU), ermahnte die Jugendlichen und erklärte ihnen, dass solche Aktionen laut Geschäftsordnung der BVV nicht zulässig sind.

Etwa eine halbe Stunde später, in einer kurzen Pause, verließen die Aktivisten den Rathaussaal; nicht ohne die Zettel mit ihrer Botschaft noch einmal in die Höhe zu halten. Doch wer sind diese Jugendlichen überhaupt? Und was wollen sie bewirken? Sie nennen sich Bündnis „Jugend für Steglitz-Zehlendorf“ und unter ihnen sind Schülervertreter, Pfadfinder, Christen, Gewerkschaftler und Mitglieder von Jugendorganisationen. Sie möchten auf keinen Fall in eine politische Ecke gedrängt werden, wie sie eindringlich sagen. Zwang- und parteilos sind zwei Attribute, mit denen sie ihre Initiative beschreiben. Umso mehr habe es sie überrascht, dass ihre Aktion kürzlich im Rathaussaal in den sozialen Netzwerken bisweilen als linksradikal eingestuft wurde.

„Jegliche Form von Gewalt und Diskriminierung lehnen wir ab“, erklärt Michael Bäumer, ein Sprecher des Bündnisses. Sie würden sich nicht an Aktionen beteiligen, die Menschen schaden könnten. Das Bündnis sei eine bunte Mischung aus Jugendlichen, die in keine ideologische Schublade passten.

Bündnis: Annäherung zwischen CDU und AfD wahrgenommen

Die Botschaft in dieser BVV-Sitzung sei nicht grundsätzlich gegen eine bestimmte Partei oder gegen Parteimitglieder gerichtet gewesen. Vielmehr sollte sie ein Weckruf sein. Denn nach Meinung des Bündnisses habe sich in den letzten BVV-Sitzungen eine gewisse Annäherung zwischen CDU und AfD angebahnt. Gemeinsam hätten die beiden Parteien etwa die Wahl einer Jugendstadträtin der SPD verhindert.

„Das macht uns Sorgen, denn wir sprechen uns gegen eine menschenfeindliche Politik aus und sind deshalb gegen jegliche Kooperation mit der AfD im Bezirksparlament“, sagt Bäumer. Ihnen sei durchaus bewusst gewesen, dass solche  Aktionen in einer BVV-Sitzung nicht erlaubt sind. Dennoch hätten sie keine andere Möglichkeit gesehen, ihr Anliegen vorzutragen. „Denn wir brauchten einen Raum, in dem die Bezirksverordneten aller Parteien vertreten sind“, erklärt er. Um die Ernsthaftigkeit ihrer Botschaft zu zeigen, hätten sie sich bewusst für einen „stillen“ Protest entschieden. Also ein Weckruf zum einen und ein erstes öffentlichkeitswirksames Signal des jungen Bündnisses zum anderen. Frei nach dem Motto: „Hallo! Wir sind da! Mit uns dürfen Sie jetzt rechen!“

Michael Bäumer und Finn Tesmer gehören zum harten Kern der Initiative. Michael Bäumer ist 25 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Sachsen-Anhalt, lebt aber seit zehn Jahren im Bezirk. Er engagierte sich lange Zeit als Pfadfinder, ist gelernter Gärtner und macht jetzt eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Finn Tesmer, 16 Jahre alt, ist in Steglitz-Zehlendorf aufgewachsen und macht gerade das Abitur. Gemeinsam mit etwa 30 weiteren jungen Leuten, zwischen 16 und 28 Jahren, haben sie im Oktober letzten Jahres das Bündnis ins Leben gerufen. „Weil wir gern aktiv werden und in unserem Kiez etwas bewirken wollen“, sagen sie.

Denn es sei falsch, zu denken, ihre Generation beschäftige sich ständig nur mit Facebook und ihren Smartphones. „Wir sind interessiert und wollen als Teil dieser Gesellschaft ernst genommen werden“, beschreibt Finn Tesmer. Themen wie beispielsweise fehlende Bänke und Dreck in den Parks, obdachlose Menschen, die Schließung von Spielplätzen, das Hundeverbot oder der kaputte Fahrstuhl am S-Bahnhof Zehlendorf gingen an den Jugendlichen nicht spurlos vorbei: „Wir wollen mitreden und helfen, Lösungen zu finden.“

Plätzchen backen für Flüchtlinge

Das Bündnis wirkt dabei als eine Art Pool, in dem sich die jungen Leute treffen, austauschen und engagieren können; frei von Vereins- oder Organisationsrichtlinien. Einmal im Monat kommen alle zusammen, sammeln Ideen, entwickeln Projekte oder besprechen Konzepte. Das Bündnis ist in drei Arbeitskreise (AK) unterteilt, die sich öfter treffen. Es gibt den AK Flüchtlingshilfe, den AK gegen Rechts und den AK für menschliches Miteinander. So hat sich zum Beispiel der AK Flüchtlingshilfe im Dezember letzten Jahres an der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ beteiligt, in dem die Jugendlichen Plätzchen gebacken und diese dann in eine Flüchtlingsunterkunft im Kiez gebracht haben.

Die Aktion in der BVV im Januar wurde speziell vom AK gegen Rechts organisiert. Dieser Arbeitskreis lässt sich unter anderem von der vom Senat unterstützten Initiative „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin“ (MBR) beraten. Es seien weitere Aktionen in Steglitz-Zehlendorf geplant. Wie, wann und wo, wollen sie nicht verraten. Ihr langfristiges Ziel: ein vielfältiger, menschenfreundlicher Bezirk. Eben so, wie es die Jugendlichen in ihrem Bündnis vorleben: „Wir sind eine bunte, multikulturelle Initiative mit Mitstreitern, die einen Migrationshintergrund beispielsweise aus der Türkei, dem Iran, Polen und Frankreich haben.“

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