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Drama von Schönfliess: Staatsanwaltschaft: Todesschuss war keine Notwehr

Der tödliche Schuss des Berliner Polizisten auf einen 26-jährigen Straftäter in Schönfließ war nach Angaben der Staatsanwaltschaft rechtswidrig. Es habe keine Notwehrsituation gegeben. Der Beamte ist mittlerweile wieder frei - gegen Meldeauflagen.

"Nach derzeitigem Stand gibt es nichts, was diesen Schuss rechtfertigt“, sagte Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper am Dienstag in Neuruppin. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gab der Polizist den tödlichen Schuss gleich zu Beginn des Einsatzes zu einem Zeitpunkt ab, als der Kriminelle in einem gestohlenen Jaguar saß. „Eine Notwehr- oder Nothilfesituation lag nicht vor“, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher. Erst nach dem Schuss habe der Getroffene schwer verletzt versucht, mit dem Auto zu fliehen. Nach wenigen Metern habe er allerdings das Bewusstsein verloren, so dass das Auto gegen eine Wand gefahren sei. Der Vorfall ereignete sich am Silvesterabend in Schönfließ bei Berlin.

Gegen den Berliner Polizisten, der am Montag wegen der tödlichen Schüsse in Schönfließ (Oberhavel) festgenommen wurde, ist am Dienstag Haftbefehl wegen Totschlags erlassen worden. "Allerdings ist der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, das heißt, der Kommissar erhält Auflagen und muss dafür nicht in Untersuchungshaft", sagte ein Ermittler.

Offenbar tötete doch kein Querschläger das Opfer, sondern ein gezielter Schuss

Wie berichtet, war der Zivilfahnder Reinhard R. (34) mit zwei Kollegen - alle vom Wilmersdorfer Abschnitt 25 - am Silvesterabend nach Schönfließ gefahren, um dort den flüchtigen Straftäter Dennis J. (26) festzunehmen. Die Polizisten hatten einen Hinweis von der Familie der Freundin von Dennis J. bekommen, wo sich der mit Haftbefehl Gesuchte aufhält. Die Zivilfahnder, die Dennis J. schon im Sommer 2008 versucht hatten festzunehmen, meldeten sich beim Lagedienst in Brandenburg an und informierten diesen über die geplante Festnahme. Als die Fahnder in der Feldahornstraße in Schönfließ eintrafen, saß Dennis J. in einem gestohlenen Jaguar und wartete ein paar hundert Meter vom Haus seiner Freundin entfernt auf sie.

Nach den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchung und der Rekonstruktion am Tatort vergangener Woche gab es nun eine überraschende Wendung in dem Fall: Offenbar hat der Kommissar Reinhard R. doch mindestens einen gezielten Schuss aus nächster Nähe auf Dennis J. abgegeben. Er soll aus einer Entfernung von weniger als 50 Zentimetern abgegeben worden sein. Damit wäre praktisch ausgeschlossen, dass das Opfer durch einen Querschläger getötet worden ist.

Die Rekonstruktion und Zeugenbefragung ergab offenbar, dass der Kommissar nicht aus einer Notwehrsituation heraus sechs mal auf Dennis J. gefeuert hat. Deshalb lautet der Vorwurf auf Totschlag. Am Montagnachmittag nahmen Brandenburger Beamte den Berliner Polizisten in dessen Wohnung fest. Auch seine Diensträume wurden durchsucht. Zu dienstrechtlichen Konsequenzen wolle sich die Berliner Polizei später noch äußern.

Dennis J. wird am Freitag in Neukölln beigesetzt

Der Anwalt der Angehörigen des Opfers, Thomas Worm, sagte dem Tagesspiegel: "Die Hinterbliebenen halten das für eine gute Nachricht, dass die Tat aufgeklärt wird und nichts unter den Teppich gekehrt wird." Am Freitag soll Dennis J. in Neukölln auf dem Alten St. Jacobi Friedhof beigesetzt werden. Danach ist ein Trauermarsch geplant. "Die Route steht noch nicht fest", sagte der Anwalt.

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