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EU-Urteil zu Sicherungsverwahrung: Elf Schwerkriminelle könnten bald freikommen

Insgesamt elf Schwerverbrecher aus Berlin und Brandenburg könnten aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes demnächst freikommen. Das Gericht hatte am Dienstag ein Urteil vom Dezember 2009 bestätigt, dass Sicherungsverwahrung nicht nachträglich unbefristet verlängert werden darf.

In dem Urteil waren die Richter zu dem Schluss gekommen, dass Deutschland im Fall eines Häftlings gegen das Grundrecht auf Freiheit und das Verbot rückwirkender Strafen verstoßen hat. Die Regierung muss einem verurteilten Verbrecher jetzt 50 000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Der Mann sitzt im hessischen Schwalmstadt trotz verbüßter Haftstrafe seit 18 Jahren in Sicherungsverwahrung, weil er immer noch als gefährlich gilt.

„Es gibt in Berlin acht vergleichbare Fälle“, sagte ein Justizsprecher am Freitag. Die Staatsanwaltschaft werde mit dem Landgericht in Kontakt treten, das jeden Fall einzeln prüft und dann entscheidet. „Es geht um das Schutzbedürfnis der Bevölkerung, aber auch um einen geordneten Übergang in die Freiheit.“ Zum Teil seien die betroffenen Sträflinge seit 1993 in Haft und müssten sich erst an das heutige Leben außerhalb des Gefängnisses gewöhnen. Sollte die Vollstreckungskammer gegen die Freilassung entscheiden, können die Täter Widerspruch einlegen. Insgesamt sitzen in Berlin rund 50 Straftäter in Sicherungsverwahrung.

In Brandenburg gibt es nach Aussage von Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) drei Häftlinge, die von dem Urteil profitieren könnten. „Es besteht aktuell kein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung“, betonte der Minister. Der erste dieser drei Gefangenen werde frühstens im Oktober 2014 entlassen. So blieben vier Jahre Zeit, um ein „Sicherheitsmanagement“ zu entwickeln. Dabei müsse zum einen der Schutz der Bevölkerung gewährleistet bleiben, sagte Schöneburg am Mittwoch in Potsdam. Zum anderen müssten Straftäter, die trotz Therapie gefährlich bleiben, auch hinter Gittern ein menschenwürdiges Leben führen können. Berlin und Brandenburg hätten dazu bereits vor Wochen die Einrichtung einer Arbeitsgruppe verabredet. In bestimmten Fällen kann die Polizei auch entlassene Schwerverbrecher überwachen und „Gefährderansprachen“ durchführen. Zudem kann beispielsweise Pädophilen das Betreten von Spielplätzen und anderen Orten, an denen sich potenzielle Opfer aufhalten, gerichtlich untersagt werden.

Der Deutsche Anwaltsverein forderte am Donnerstag eine grundsätzliche Reform der Sicherungsverwahrung. Bei als gefährlich eingestuften Schwerverbrechern sei verstärkt mit anderen präventiven Mitteln zu arbeiten, sagte Vereinspräsident Wolfgang Ewer. So sollten Alternativen zur geschlossenen Anstaltsunterbringung entwickelt und die elektronische Fußfessel eingesetzt werden. Zudem sollten die zeitlichen Abstände zwischen den gerichtlichen Überprüfungen den Sicherungsverwahrungen verkürzt werden.

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