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Gazeteler Rückblick: Angst vor dem Serienkiller

Durch falsche Quellen wurde der Mörder zum Serienkiller gemacht - wie türkische Blätter über den Tod des Döner-Wirtes Müslüm B. berichten.

Der Tod von Müslüm B. beschäftigte auch die türkischen Zeitungen. Ein Unbekannter hatte in der Nacht zum Dienstag den Dönerwirt in seinem Imbiss an der Müllerstraße in Wedding gezielt erschossen. Trotz notärztlicher Behandlung verstarb der siebenfache Familienvater noch am Tatort. Die „Hürriyet“ titelte am nächsten Tag: „Hat der Serienkiller wieder zugeschlagen?“

Die Überschrift irritierte jedoch, da deutsche Zeitungen bereits am selben Tag berichteten, dass es keinen Zusammenhang mit der Mordserie in verschiedenen deutschen Städten gibt, bei der seit 2000 acht Türken und ein Grieche getötet wurden. Oft greifen türkische Journalisten in Berlin bei Polizeithemen nur auf das zurück, was ihnen die Türken vor Ort erzählen. Es kommt hingegen überraschend selten vor, dass sie Polizeisprecher wörtlich zitieren – und wenn doch, dann stammen die Aussagen der Polizei oft von deutschen Nachrichtenagenturen, die zuvor selbst bei den Beamten nachgefragt haben.

Beispielsweise meldete die Tageszeitung „Türkiye“ die Tat erst am Donnerstag – und dazu noch mit einer falschen Überschrift: „Mordverdächtiger im Fall des Dönerwirts gefasst!“. Das stimmte nicht, die Polizei sucht den Verdächtigen noch immer. Am Donnerstag brachte die „Hürriyet“ schließlich einen seriösen Bericht mit den richtigen Fakten: Auch er erschien auf der Titelseite, aber dieses Mal etwas kleiner: „Ist er wegen 20 Euro gestorben?“, titelte das Blatt. Zuvor hatte Sohn Mustafa den Journalisten vor Ort erzählt, dass der Angestellte Metin Y. ihm eine Beobachtung bei einem Kunden im Laden geschildert habe. Plötzlich habe ein Jugoslawe 20 Euro verlangt und mit einer Waffe herumgefuchtelt. Nach diesem Mann wird nun gefahndet.

Die „Milliyet“ hingegen besuchte die Familie zu Hause. „In der Kasse waren nur 30 Euro“, lautete die Überschrift auf der Titelseite der Europa-Beilage am Donnerstag. „Es wird behauptet, dass der siebenfache Familienvater von einem Kunden umgebracht wurde“, hieß es weiter. Dazu zeigte die Zeitung einige Familienmitglieder wie zum Beispiel Bruder Ibrahim, der aus Hamburg angereist sei. „Vielleicht sind wir ja Kurden, aber keiner von uns steht der PKK nahe“, zitierte die „Milliyet“ ihn. Offenbar will der Mann Gerüchte aus der Welt schaffen, wonach er PKK-Sympathisant sei. „Unser Land und unsere Heimaterde ist die Türkei“, stellte er klar. Eben jene Gerüchte, die aufgekommen waren, würden der Familie zusätzlichen Schmerz zufügen. Er erwarte nun von der türkischen Regierung, dass sie der Familie helfe.

Suzan Gülfirat

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