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Gefängnis Moabit: Untersuchungshäftling erhängt sich

UPDATE Erneut hat sich in Berlin ein Untersuchungshäftling im Gefängnis in Moabit das Leben genommen. Es ist bereits der neunte Suizidfall in Berliner Haftanstalten in diesem Jahr. Jetzt gibt es Streit um die Zahl der eingesetzten Psychologen.

Die Suizide in Berliner Gefängnissen steuern auf eine neue tragische Höchstzahl zu. Am Montag nahm sich ein 45-Jähriger in der Moabiter Untersuchungshaft das Leben. Der wegen einer tödlichen Attacke auf seine Freundin angeklagte Kampfsportler hätte am selben Tag im Prozess im Kriminalgericht Moabit auftreten müssen. Gegen 6 Uhr früh entdeckte ein Justizbedienstete die Leiche beim Aufschluss der Zelle. Am ersten Prozesstag in der vergangenen Woche hatte Ronald R. geschwiegen. Sein Mandant fühle sich „psychisch nicht in der Lage“ auszusagen, hatte sein Verteidiger erklärt. Bei der Polizei hatte R. die Attacke gestanden und auch angegeben, sich mit Selbstmordgedanken zu tragen. Am gestrigen Montag wollte sich R. eigentlich zu den Vorwürfen vor Gericht äußern, offensichtlich fehlte ihm dazu die Kraft.

Ronald R. ist in diesem Jahr der neunte Suizid in Berliner Haftanstalten, der bekannt wird. Fünf gab es allein in der JVA Moabit. Ronald R. habe von seiner Einlieferung am 26. Mai bis 10. September unter gesonderter Beobachtung gestanden. Da es keine Hinweise auf eine Suizidgefahr gegeben habe, sei die Maßnahme eingestellt worden, teilte die Justiz mit. Zu Beginn des Prozesses sei der 45-Jährige erneut überprüft worden, unter anderem darauf, ob er unter Stimmungsschwankungen leide. Auch hier sei nichts Auffälliges festgestellt worden.

Im vergangenen Jahr hatte es nur zwei Suizide gegeben. Nur 2006 hatte es eine ähnliche Welle gegeben – mit zehn Selbstmorden in Zellen. Damals hatte die Justiz ein neues Konzept zur Vermeidung von Suiziden erstellt, das vor allem auf der besseren psychologischen Untersuchung von neu aufgenommenen Häftlingen beruhte. Der grüne Rechtsexperte Dirk Behrendt kritisierte gestern, dass es in Moabit zu wenig Psychologen gebe. Offiziell gebe es 2,5 Stellen für etwa 1000 Gefangene. Davon sind etwa 500 Untersuchungsgefangene, die einer besonders intensiven Betreuung bedürfen. Denn die meisten Suizide geschehen in den ersten Tagen und Wochen der U-Haft, Fachleute sprechen vom so genannten Haftschock. Faktisch sei aber derzeit wegen Krankheit und einer nicht besetzten Stelle nur eine Psychologin im Einsatz. Ein Sprecher von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte dagegen, dass die Psychologen gar nicht für die Eingangsuntersuchung zuständig seien, sondern für die Aufarbeitung der Straftaten bei den Gefangenen. Die Eingangsuntersuchung  erfolge beim Sozialdienst, dieser sei personell völlig ausreichend ausgestattet. Alle neu in Moabit aufgenommenen Gefangenen müssen ein Gespräch mit einem Sozialarbeiter führen. Kommt dieser zum Ergebnis, dass eine Suizidgefahr vorliegt, wird der Gefangene einem Arzt vorgestellt. Schließt der Mediziner eine Gefährdung nicht aus, wird der Betroffene unter Beobachtung gestellt.

Vor allem in den letzten Wochen hatte es eine regelrechte Welle gegeben: fünf Selbstmorde allein seit dem 1. Oktober. Offensichtlich gebe es einen sehr tragischen Nachahmungseffekt, hieß es.

Ein ähnliches Phänomen gibt es derzeit bei der Bahn. Seit dem Suizid des Torhüters Robert Enke, der sich vor einen Zug warf, häufen sich in Deutschland ähnliche Fälle. Dies bestätigte die Polizei auch für Berlin und Brandenburg.

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