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Geiselnehmer vom Hauptbahnhof: Stunden der Angst

Prozess gegen den Geiselnehmer vom Hauptbahnhof: Ein merkwürdiger Gast. Das fiel den Kellnern auf. Er führte Selbstgespräche und blickte ständig nach draußen. Als zwei Bundespolizisten in das Café Segafredo im Erdgeschoss kamen, zog Taner I. ein Messer, überwältigte einen Kellner.

Zwei Stunden lang war der 34-jährige Karsten R. in der Gewalt des Mannes, der eigentlich nach Dresden wollte. Gestern sah er I. im Gericht wieder. Dass der 27-jährige Kurde zuvor von Wahnvorstellungen gesprochen hatte, überraschte das Opfer nicht.

„Der Mann war wechselhaft – mal aggressiv, mal ruhig“, sagte R. im Prozess um Geiselnahme und versuchten Totschlag. I. fuchtelte mit einem Messer rum. „Ich habe es aber nie am Hals gespürt“, schilderte R. die dramatischen Szenen am 21. November 2007. Der Täter habe ihm versichert: „Ich werde dir nicht tun, wenn du nichts machst.“ Doch ständig war da die Angst, der verzweifelt wirkende Mann könnte die Nerven verlieren. I. hatte 30 000 Euro, ein Handy und freies Geleit für einen Flug in die Türkei verlangt.

Taner I. lebt seit 1998 in Deutschland. Der gelernte Metzger hat eine achtjährige Tochter, die mit ihrer Mutter in Magdeburg lebt. Nach der Trennung ist I. nach Mannheim zu einer Schwester gegangen. Als es zum Streit mit dem Schwager kam, wurde er arbeitslos. Er trank, nahm Drogen. „Ich bekam Ängste, fühlte mich verfolgt. Jeder Mensch war eine Gefahr.“

Vor der Geiselnahme stieg er in Mannheim in den Zug und am Nachmittag in Berlin aus. „Ich irrte auf dem Bahnhof umher“, sagte der Beschuldigte. Er wollte telefonieren, um seine Familie vor angeblichen Verfolgern zu warnen. „Die beiden Polizisten habe ich als Bedrohung gesehen.“ Deshalb habe er den Kellner gepackt. „Es schien mir die einzige Möglichkeit, mein Leben zu retten.“ Taner I. versicherte auch gestern: „Ich wollte ihm nichts antun.“ SEK-Beamte konnten die Geiselnahme wenig später unblutig beenden. Taner I. befindet sich seitdem in der Psychiatrie. Die Richter müssen entscheiden, ob er weiterhin dort untergebracht werden soll. Der Prozess wird am 19. Mai fortgesetzt. K.G.

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