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Gewalt gegen BVG: Haftstrafen für zwei Jungen nach Angriff auf Busfahrer

Ein 15-jähriger Serientäter schlug auf einen BVG-Mitarbeiter ein, sein 16-jähriger Cousin filmte die Tat mit dem Handy. Jetzt müssen beide ins Gefängnis

Als Abdullah das erste Mal auf der Anklagebank saß, war er 14 Jahre alt und hatte Glück. Ein Jugendrichter ließ Milde walten und beließ es in dem Prozess um einen versuchten Raub bei einem Dauerarrest. Die verhängten vier Wochen sollte der Jugendliche aus Neukölln, der bei der Polizei bereits als Intensivtäter bekannt war, später antreten. Das Urteil war noch keine zehn Stunden alt, als Abdullah einen Busfahrer angriff. Dreieinhalb Monate nach der Attacke saß der inzwischen 15-Jährige gestern mit seinem 16-jährigen Cousin Yousef vor Gericht.

Der Jüngere drosch zu, der Ältere filmte die Tat mit dem Handy. So sah die Staatsanwaltschaft den Fall. „Happy Slapping“ – zu deutsch: fröhliches Zuschlagen – wird dieses Gewaltphänomen unter Jugendlichen genannt. Meist kursieren solche Aufnahmen später im Internet oder auf Handys. Die Bilder, die Yousef machte, lagen jedoch schnell bei der Polizei. Videoaufzeichnungen aus dem Bus halfen den Ermittlern, den Angreifern auf die Spur zu kommen. Nur Stunden nach der Tat wurden sie gefasst.

Lächelnd soll Abdullah vor dem Haftrichter gesessen haben. Zu den Vorwürfen sagte er damals nichts. Nun zeigte sich der Sohn einer Familie, die Anfang der 90er Jahre aus dem Libanon nach Berlin kam, von einer ganz anderen Seite. „Ich konnte damals Probleme nicht durch Worte klären“, sagte der Jugendliche. „Er hat etwas gesagt, ich fühlte mich beleidigt und habe ihn geschlagen.“ Das Filmen sei jedoch nicht geplant gewesen.

Sie flüchteten unter Gelächter

Abdullah ließ sich nach dem Urteil am 21. Oktober wieder einmal durch die Straßen treiben. Die Schule interessierte ihn schon lange nicht mehr. Als er das Probehalbjahr auf der Realschule nicht schaffte, war das Thema für ihn offenbar erledigt. Sein Revier wurde die Straße. Der Richter im ersten Prozess soll mit Engelszungen auf Abdullah eingeredet haben. Dann ließ er ihn ziehen.

Die Mahnungen kamen nicht an. Gegen 1.30 Uhr nachts stiegen die Cousins in den Bus der Linie N 8. „Alle zeigten ihre Fahrscheine, nur der Letzte nicht“, erinnerte sich Busfahrer Holger G. im Prozess. Er sprach den Jungen an. „Ich muss hier nichts zeigen. Das ist doch nur ein Ersatzverkehr für die U-Bahn“, antwortete der 14-Jährige. Der Busfahrer ließ nicht locker. „Da holte er seine Karte raus und wedelte damit. Das reichte mir.“

Die Fahrt ging zunächst ohne Stress weiter. Holger G. dachte gar nicht mehr an die beiden Jungen. „Dann stand einer hinter mir, fragte, ob sie am Moritzplatz aussteigen könnten.“ Der Ton des Jugendlichen, der ihn kurz vor der Haltestelle Kottbusser Tor ansprach, war freundlich. Nichts deutete auf Gefahr hin. „Ja, ihr könnt hier aussteigen“, sagte der Fahrer und öffnete die Tür. „Dann merkte ich einen weißen Blitz“, sagte der Zeuge. Abdullah schlug ihm unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, während Yousef filmte. Sie flüchteten unter Gelächter.

Abdullah habe eine Menge begriffen, sagt das Jugendgericht

Die Brille des Busfahrers zersprang, er erlitt eine Schädel- und Jochbeinprellung. Er ist davon überzeugt, dass die Tat geplant war: „Sie wollten ein Gewaltvideo machen.“ Trotz des Angriffs fährt Holger G. weiter den Nachtbus. Er sei zwar vorsichtiger geworden. Doch für ihn und seine Kollegen hätten die Videoaufzeichnungsgeräte in Bussen bereits ein „spürbares Ergebnis“ gezeigt. „Früher war das Oberdeck quasi ein rechtsfreier Raum. Nun haben wir Bilder, die zeigen, wer sich rüpelhaft benommen hat.“ Die Aufnahmen werden 24 Stunden gespeichert. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt rund 120 Übergriffe auf BVG-Busfahrer.

Aus Sicht der Jugendgerichtshilfe hat Abdullah inzwischen eine Menge begriffen. Ihm sei noch eine Chance zu geben. Die Vertreterin schlug eine Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe vor. „Ich habe gelernt, dass ich nicht in den Knast will“, erklärte Abdullah, gegen den noch ein Verfahren wegen eines Überfalls auf eine Tankstelle läuft. Die Richter aber schlossen sich der Anklägerin an und verhängten ein Jahr und vier Monate Haft ohne Bewährung. Gegen Yousef ergingen drei Wochen Dauerarrest. Auch muss er ein Anti-Gewalt-Training besuchen.

Kerstin Gehrke

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