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© ddp

Hassbriefe an Politiker: NPD hetzt - Koalition streitet um Verbot

Bei der Durchsuchung der NPD-Zentrale in Köpenick hat die Polizei nach Informationen des Tagesspiegels am Dienstagabend das Original des Hetzschreibens gefunden, mit dem etwa 30 Migranten-Politiker die Ausreise angedroht wurde. Jetzt fordern SPD und Linke ein neues Verbotsverfahren.

Von Frank Jansen

Berlin - Der Hetzbrief der Berliner NPD gegen prominente Migranten hat die Debatte um ein Verbot der Partei wieder angefacht. Vor allem SPD-Politiker sehen sich in ihrer Mahnung an die mehrheitlich zweifelnde Union bestätigt, dem Treiben der NPD nicht länger zuzusehen. Ein neues Verbotsverfahren sei notwendig, weil es die „finanziellen und organisatorischen Grundlagen für rechtsextreme Hetze schwächen würde“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse am Mittwoch dem Tagesspiegel. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit betonte, der NPD-Brief zeige einmal mehr, „dass eine Partei, die leider nicht verboten ist, sich Dinge herausnimmt, die unsere Demokratie gefährden“. Ein Verbot sei „aktueller denn je“. Die Berliner NPD hatte kürzlich Politikern mit Migrationshintergrund angekündigt, sie müssten in ihre Herkunftsländer ausreisen.

Das Pamphlet der NPD „bestätigt meine Ansicht, dass diese Partei sich zunehmend neonazistisch gebärdet und außerhalb unserer Verfassungs- und Rechtsordnung stellt“, sagte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Er sehe allerdings nicht, dass durch den Vorfall die Gegner eines Verbotsverfahrens bekehrt werden könnten. Da sei „noch viel Überzeugungsarbeit“ zu leisten.

Ablehnend äußerte sich denn auch der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach. Ein Verbotsverfahren mache keine Sinn, weil das Problem der V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD nicht zu lösen sei. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2003 einen Anlauf zum Verbot NPD gestoppt, da der Einfluss der V-Leute auf die Partei unklar war. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) forderte nun erneut, das Verbotshindernis V-Leute „muss endlich weggeräumt werden“. Die FDP ist gegen ein weiteres Verfahren, auch bei den Grünen überwiegt Skepsis.

In dem Hetzschreiben, das wie eine amtliche Bekanntmachung aufgemacht ist, kündigt ein „Ausländerrückführungsbeauftragter“ an, Ausländer würden „schrittweise in ihre Heimatländer zurückgeführt“ und „aus dem deutschen Sozialversicherungssystem ausgegliedert“. Etwa 30 Berliner Politiker mit Migrationshintergrund fanden am Wochenende das Pamphlet in ihren Briefkästen vor. Darunter fünf Kandidaten für den Bundestag: Ülker Radziwill (SPD), Figen Izgin (Linkspartei), Hanaa El-Hussein (FDP), Nader Khalil (CDU) und Özcan Mutlu von den Grünen. Auch drei parteilose Kandidaten mit türkischen Namen sind betroffen. Zudem sind Briefe an Bezirkspolitiker gegangen, bei denen die NPD einen Migrationshintergrund vermutete. Mehrere Betroffene erstatten Anzeige. Türkische Medien reagierten auf das Schreiben empört. Die Zeitung „Hürriyet“ titelte am Mittwoch, „Wir bleiben hier, Nazi-Huhn“ und zitierte türkischstämmige Politiker, die sich nicht einschüchtern lassen wollen.

Mit „Nazi-Huhn“ ist der Chef der Berliner NPD, Jörg Hähnel, gemeint, der das Pamphlet zu verantworten hat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Senator Körting begrüßte die rasche Reaktion der Justiz auf die Provokation der NPD. Die Staatsanwaltschaft hatte, wie berichtet, am Dienstag einen Beschluss zur Durchsuchung der Parteizentrale in Köpenick erwirkt, abends rückte die Polizei an. Kriminalbeamte stellten die Urversion des Schreibens mit handschriftlichen Änderungen sicher. Mitgenommen wurden auch je drei Computer und USB-Sticks.

Sollte Hähnel angeklagt und verurteilt werden, droht ihm eine empfindliche Strafe. Berliner Gerichte haben gegen ihn bereits in zwei früheren Fällen Geldstrafen verhängt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Sollten sie es werden und gegen Hähnel ein Schuldspruch wegen des Pamphlets ergehen, sei eine Gesamtstrafe mit mehreren Monaten Haft auf Bewährung denkbar, hieß es in Justizkreisen.

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