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Hohenschönhausen: Streit um 1,30 Euro - Kassiererin fristlos entlassen

Weil sie angeblich Leergutbons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll, wurde eine Kassierin fristlos gekündigt. Die 50-Jährige wehrt sich vor Gericht gegen die Vorwürfe. Die Gewerkschaft und ihr Anwalt vermuten politische Gründe für die rigorose Maßnahme des Arbeitgebers.

Leergutbons in Höhe von 48 und 82 Cent soll Barbara E. unterschlagen haben, warf ihr der Arbeitgeber Kaiser's Tengelmann vor und servierte ihr die fristlose Kündigung im Februar 2008, berichtet die "taz". Bewiesen ist der Verdacht allerdings nicht und Barbara E., die seit 15 Jahren in der Filiale in der Hauptstraße in Hohenschönhausen arbeitete, klagte gegen ihren Rauswurf vor dem Arbeitsgericht.

Der Fall, der am Donnerstag verhandelt wurde, blieb ohne Urteil, denn am 21. August sollen Zeugen noch einmal Beweise vortragen. Der Richter sprach bei der Verhandlung von einem Verdacht auf "vollendeten Betrug". Die 50-Jährige, die seit 30 Jahren in dem Beruf tätig ist, bestreitet die Vorwürfe energisch.

Sollten Streikwillige aussortiert werden?

Die Gewerkschaft Verdi und der Anwalt von Barbara E., Benedikt Hopmann, glauben, dass die Betrugsvorwürfe nur vorgeschoben sind. Denn Ende letzten Jahres nahm Barbara E. an den bundesweiten Streiks im Einzelhandel teil. Die Arbeitnehmer protestierten gegen die Streichung von Sonderzuschlägen, wie zum Beispiel Spät- und Wochenendschichten. In der Filiale, in der E. tätig war, beteiligten sich zu Beginn acht von 36 Mitarbeitern, berichtet die "taz" weiter.

Doch nach Einzelgesprächen mit der Distriktmanagerin, war während der dritten Streikwelle kurz vor Weihnachten Barbara E. dann plötzlich die einzige Streikwillige. Zudem wurde sie ab da nur noch für Spätschichten eingetragen, berichtet ihr Anwalt Hopmann. Und zu einer Bowling-Feier im Januar habe der Filialleiter die Streikteilnehmer ausdrücklich nicht eingeladen.

Die fristlose Kündigung hatte gravierende Folgen für die zweifache Mutter. Seitdem lebt sie von Hartz IV. Zudem wurde sie vom Jobcenter aufgefordert, spätestens im August ihre 90 Quadratmeter große Wohnung zu verlassen und sich eine kleinere und günstigere Bleibe zu suchen.

"Eine skandalöse Rechtssprechung"

Der Arbeitgeber kann sich im Fall Barbara E. auf die geltende Rechtssprechung berufen. Denn nach dem 1984 vom Bundesarbeitsgericht gefällten "Bienenstichurteil", können Arbeitnehmer bei dringendem Verdacht auf Veruntreuung oder Unterschlagung außerordentlich gekündigt werden. Außerdem reichen kleinere Beträge aus, so die Urteilsbegründungen seit Jahrzehnten, um den Arbeitsplatz zu verlieren. "Eine skandalöse Rechtssprechung, die jedem Gerechtigkeitssinn widerspricht", befindet Anwalt Hopmann laut "Berliner Zeitung".

Die Rechtsanwältin der Kaiser's-Filiale sprach in der 45-minütigen Verhandlung von einem "offensichtlich vollendeten Betrug" und erklärte, "das Vertrauen zu einem solchen Mitarbeiter ist unwiderruflich gestört." Das Verhalten des Arbeitgebers begründete sie damit, dass dieser den Verdacht als Tatsache bewerte und sich im Recht sieht. Während der Verhandlung wurde der 50-jährigen Verkäuferin auch ein Vergleich angeboten, den sie aber ablehnte. Ihr Anwalt rechnet mit einer Entscheidung gegen Barbara E. und will in dem Fall in die nächste Instanz gehen.

Der Solidarität vieler Menschen kann sich Barbara E. gewiss sein: Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt und der Richter hatte Mühe Personen wegen empörter Zwischenrufe zur Ordnung zu rufen. (imo)

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