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Beim Umgang mit kriminellen Kindern fühlen sich Polizisten hilflos und frustriert.

© dpa

Jugendkriminalität: Kriminelle Kinder frustrieren Polizisten

Wenn die Polizei nur noch der Chauffeur ist: Ein Beamter erzählt von seinem Frust mit kriminellen Kindern und Jugendlichen. Dabei spricht er sich für geschlossene Heime aus.

Von Fatina Keilani

Für uns als Polizisten ist es frustrierend. Wir haben mit diesen Kindern ja ständig zu tun. Wir erwischen sie hier in Neukölln beim Dealen. Wir wissen, dass viele älter sind als 13, dafür gibt es äußere Anzeichen, ihren Bartwuchs zum Beispiel. Keiner nimmt uns die Kinder ab, jedenfalls nicht wirksam. Wir geben die im Heim vorne ab, und hinten sind sie schon wieder raus. Teilweise leben die in Hotels. Mit den Drogengeschäften verdienen sie ein Vielfaches vom Hartz-IV-Satz. Die wieder einzufangen, ist nicht leicht, denn sie stellen sich darauf ein; die wissen, wie die Polizei arbeitet.

Zum Beispiel dürfen wir keine Brechmittel mehr verabreichen, das wurde verboten. Also schlucken sie die Heroin- und Kokainkügelchen ganz schnell runter. Wir versuchen schon, trickreich dabei zu sein, den jungen Dealern den Stoff abzunehmen. Dafür müssen wir aber auch schon mal Druck auf den Hals ausüben, nicht zu fest natürlich, nur damit sie nicht schlucken können. Prompt kriegen wir dann Ärger mit der Bevölkerung. Wie wir denn so hart vorgehen könnten, werden wir gefragt. Das seien doch noch Kinder. Das führt bei uns zu noch mehr Frust. In Wahrheit sind das ausgekochte Burschen.

Außerdem: Wenn so einer das Zeug runterschluckt, und eine Kugel platzt in seinem Magen, dann kann ihn das töten. Das will ich nicht, und als Polizist ist es auch meine Aufgabe, so etwas zu verhindern. Ich habe ja eine Garantenstellung, ich muss auch Gefahren verhüten.

Aber selbst dann werde ich den Kerl nicht los. Das Krankenhaus nimmt ihn nicht, und falls doch, tun die Ärzte nichts, sondern warten, dass sich das Problem auf natürlichem Wege löst. Die Jungs laufen mit zehn, zwölf, 15 Kügelchen im Magen rum. Bei der Justiz werden wir sie auch nicht los – zu jung. Der Sozialarbeiter im Heim sagt: „Wenn Ihr gleich weg seid, bricht er die Kugeln sowieso wieder raus.“ Weiter unternimmt er nichts.

Wir erleben überall absolute Hilflosigkeit. Und Justizsenatorin von der Aue mit ihrer Haltung gegen geschlossene Heime verhält sich total widersprüchlich. Wie viel Betreuung soll es denn noch geben? Ich habe so viele Jahre Erfahrung mit diesen jungen Burschen. Sie verdienen viel Geld, die haben gar kein Interesse an Betreuung. Geschlossene Heime wären eine Möglichkeit, vielleicht nicht die beste, aber eine andere fällt mir nicht ein. Ich wundere mich, dass der Innensenator jetzt für geschlossene Heime ist. Wie oft haben wir das schon vorgeschlagen, und der Innensenator war immer dagegen.

Dass wir manchmal nur der Fahrdienst für die Kinder sind, ist zwar auch nicht schön, aber unser Frust betrifft mehr die allgemeine Lage. Wenn ich den Jungen zu seinem Heim fahre und ich wüsste, der würde da bleiben – dann wäre ich nicht frustriert. Aber der bleibt da ja nicht. Es sind sogar schon Fälle passiert, in denen die Heime gesagt haben, wir wollen den nicht zurückhaben, der macht nur Probleme. Auch Kinderheime lehnen solche Kinder ab, weil dort normale Kinder leben, die nicht in Gefahr kommen sollen.

Die kriminellen Kinder in den Heimen in Brandenburg unterzubringen, weg von allem, das wurde probiert, auch damals mit den Rumänen, aber die finden immer einen Weg, da rauszukommen. Jeder hat zwei Handys dabei, darüber könnte man sie orten, aber das ordnet natürlich keiner an. So eine Ortung bekommt man vielleicht, wenn es um Verbrechen geht, aber doch nicht bei Kindern. Die Rumänen wurden irgendwann zurückgeschickt nach Rumänien, aber bei den Libanesen und Staatenlosen geht ja auch das nicht.

Die arabischen Großfamilien im Hintergrund sind natürlich auch problematisch. Die sind teilweise schon in dritter Generation hier und haben dazugelernt. Sie wissen genau, was die Polizei kann und darf. Früher fielen sie vor allem durch Einbrüche auf, bis sie merkten, dass andere Geschäftsfelder viel unauffälliger und lukrativer sind, Drogenhandel zum Beispiel. Die jüngere Generation wird von der älteren angelernt; von jungen Jahren an bekommen die Kinder mit, wie die älteren Brüder agieren. Sie begehen dann Delikte, die die älteren schon nicht mehr machen, weil sie es schon zu etwas Wohlstand gebracht haben.

Die Zahl der stark kriminellen Großfamilien in Berlin schätze ich auf sechs bis acht. Ihre Mitgliederzahl steigt ständig, da sie viele Kinder bekommen und Familiennachzug stattfindet. Die fahren alle mit Riesen-Daimler und BMW durch die Gegend, und von denen hat nicht einer jemals richtig gearbeitet. Sie zu orten, ist kaum möglich, denn ihre Handys werden wöchentlich gewechselt.

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