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Jugendhaftanstalt

© dpa

Jugendstrafvollzug: Knast als letzte Chance?

Untersuchungshaft als Erziehungsmittel für junge Kriminelle? Die Stadt streitet über den richtigen Umgang mit jungen Tätern.

Wegschließen hinter Mauern oder Knast als letzte Chance? Der Umgang mit jungen Straftätern hat in Berlin Kontroversen ausgelöst, nachdem ein Oberstaatsanwalt die Untersuchungshaft als Erziehungsmittel für junge Kriminelle beschrieben hatte. Knast müsse wehtun, hatte der Beamte erklärt. Beim türkischstämmigen Murigiany in der Jugendstrafanstalt der Hauptstadt hat sich ausgezahlt, dass er nicht einfach weggeschlossen und vergessen wurde. Verurteilt zu fünf Jahren Haft wegen räuberischer Erpressung, hat der 24-Jährige eine Lehre im Gefängnis nachgeholt, jetzt steht die Prüfung als Zweirad-Mechaniker an.

"Ich werde es schaffen", sagt der junge Mann in einer Unterrichtspause in dem Gefängnis im Stadtteil Charlottenburg. "Es ist wirklich nicht toll, im Gefängnis zu sein", erzählt er lakonisch. Doch er habe versucht, das Beste daraus zu machen. Der junge Mann will sich später ein "bürgerliches Standbein" aufbauen und ein straffreies Leben führen. Er wolle seine Erfahrungen weitergeben, um andere von einer kriminellen Karriere abzubringen.

CDU fordert geschlossene Heime für Intensivtäter

Murigiany ist kein Einzelfall. Immer öfter werden Jugendliche aus problembehafteten Zuwandererfamilien straffällig, stellt die jüngste Kriminalstatistik fest. Vielfach fehlten den jungen Menschen die Perspektiven in der Gesellschaft. Im Vorjahr stieg die Jugendgruppengewalt in Berlin um mehr als acht Prozent gegenüber 2005. Besonders auffällig sind die "Intensivtäter", die zehn und mehr Straftaten auf dem Konto haben. Geschlossene Heime, härter und schneller durchgreifen, ausländische Kriminelle abschieben - das fordert vor allem die oppositionelle CDU.

Vize-Anstaltsleiterin Ina Lux-Schulz sieht die Sache anders. Für sie gibt es fast keine hoffnungslosen Fälle, obwohl sie manche Gefangene mehr als einmal kommen sieht. "Die meisten begreifen ihre Haft auch als Chance." Für sie ist der Auftrag klar: Bildung hinter Gittern ermöglichen, Einsicht und Reue fördern, auf ein straffreies Leben vorbereiten.

U-Haft darf nicht als Erziehungsmittel missbraucht werden

Oberstaatsanwalt Roman Reusch, der die Extra-Abteilung für Intensivtäter in der Staatsanwaltschaft leitet und die immer wiederkehrenden Fälle auf dem Tisch hat, machte sich in einem Interview Luft: "Sobald sich ein Knabe in die falsche Richtung entwickelt, muss er eine Konsequenz spüren, die ihm wehtut, und Knast tut weh." Es sei weit verbreitete Praxis und pure Verzweiflung in Deutschland, dass zur Untersuchungshaft als Erziehungsmittel gegriffen werde.

Knapp 80 Prozent seiner Täter hätten einen Migrationshintergrund, sagte Reusch. "Jeder einzelne dieser Täter hat in diesem Land nicht das Geringste verloren."  Das rief Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) auf den Plan. Sie sah geltendes Recht überdehnt. Gegen den frustrierten Reusch läuft nun ein Disziplinarverfahren. U-Haft werde verhängt, um Flucht- oder Verdunkelungsgefahr zu verhindern, und nicht, um Jugendliche zu disziplinieren, stellte die Senatorin klar.

Bildung hinter Gittern als Chance

Knapp 600 junge Männer sind in der Berliner Jugendstrafanstalt derzeit inhaftiert, verurteilte Täter sowie 90 Untersuchungsgefangene. Rund 280 Bedienstete kümmern sich um sie. Der jüngste Strafgefangene ist 15 Jahre alt, verurteilt wegen gefährlicher Körperverletzung. Die häufigsten Delikte seien Raub, Diebstahl und Körperverletzung, sagt Lux-Schulz.

Es gebe einen hohen Anteil erheblich Verwahrloster und psychisch Auffälliger, sagt die Juristin. Die Mehrheit habe weder Ausbildung noch Schulabschluss. Hier setzten die Programme an. So kann der Hauptschulabschluss nachgeholt werden. Tischler, Maler, Schlosser oder Mauer werden ausgebildet.

Mancher sei anfangs überfordert, sagt die Vize-Anstaltsleiterin. "Sich einzugestehen, dass man zwar auf der Straße das große Wort führen konnte, aber nicht richtig lesen und schreiben kann, ist nicht leicht." Auch das pünktliche Aufstehen müsse oft eingeübt werden, das Durchhalten im Unterricht. "Hier wird ein regelmäßiger Tagesablauf erlernt, hier wird versucht, Interessen zu wecken." (mit dpa)

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