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Justiz: Mutmaßlicher Vergewaltiger auf freiem Fuß

Weil die Justiz trödelte, kam ein mutmaßlicher Sexual-Straftäter aus der U-Haft. Die Gerichtssprecherin gibt zu: "Es gab Pannen".

Von Sandra Dassler

Erneut ist ein mutmaßlicher Gewalttäter auf freiem Fuß, weil die Justiz zu langsam arbeitete. Das Kammergericht hob am 17. Juli dieses Jahres den Haftbefehl gegen einen 49-jährigen Mann aus Hellersdorf auf. Er saß sechs Monate in Untersuchungshaft, weil er seine Nachbarin vergewaltigt und gewürgt haben soll. Der Fall wurde öffentlich, weil die Frau Angst bekam, als der 49-Jährige entlassen wurde.

Gerichtssprecherin Iris Berger bestätigt den Fall. Die Tat soll sich am 16. Januar ereignet haben, vier Tage später erließ das Amtsgericht Tiergarten Haftbefehl. Obwohl die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger bereits am 24. Januar fertig hatte, schafften es die Richter nicht, innerhalb von sechs Monaten einen Hauptverhandlungstermin anzusetzen.

„Es gab Pannen“, gibt die Gerichtssprecherin zu: Während eines Haftprüfungstermins im März seien Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers aufgekommen. Deshalb sollte ein Gutachten erstellt werden, für das zunächst kein Experte gefunden wurde. Der Brief, in dem man das Opfer um Zustimmung für das Gutachten bat, wurde falsch adressiert. Als dies endlich geklärt war und die Verhandlung im August beginnen sollte, hatte die Verteidigerin für diese Zeit Urlaub geplant.

Das Kammergericht, das den Haftbefehl aussetzte, sparte nicht mit Kritik an der „vermeidbaren Verzögerung“. Der Richterbund sieht Personalmangel für die Pannen als Ursache, doch Justizsprecherin Barbara Helten sagte dem Tagesspiegel: „Das lag nun wirklich nicht an Personalknappheit, sondern eindeutig am schlechten Prozessmanagement“. Man habe den Fall mit dem zuständigen Gerichtspräsidenten bereits ausgewertet.

Erst im Juni hatte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) dem Rechtsausschuss versprochen, alles dafür zu tun, solche Pannen zu vermeiden. Da ging es um den Fall Dietmar J. Der 55-Jährige war 1998 wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechseinhalb Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. 2005 hatte er die Strafe verbüßt. Mehr als zweieinhalb Jahre wartete er danach vergeblich auf eine Entscheidung, ob er weiter als gefährlich gelte und in Sicherungsverwahrung bleiben müsse. Dann setzten ihn die Richter auf freien Fuß. Das ist er heute noch, denn die inzwischen angeordnete Sicherungsverwahrung ist noch nicht rechtskräftig. Bislang ist Dietmar J. nicht straffällig geworden.

Das hofft die Justiz auch für den 49-jährigen Hellersdorfer. Er ist bis zum Prozess, der noch nicht terminiert ist, ein freier Mann. Seinem mutmaßlichen Opfer bleibt nur, die Polizei zu rufen, wenn es sich bedroht fühlt. Sandra Dassler

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