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Monika de M.

© Rückeis

Justizirrtum: 9768 Euro für zweieinhalb Jahre Gefängnis

''Das Urteil war falsch": Eine Berlinerin saß 888 Tage zu Unrecht in Haft - es gab keine Brandstiftung und keinen Mord an ihrem Vater. Die Entschädigung für ihre Leiden fällt knapp aus.

Von Triumph keine Spur. Still sitzt Monika de M. im Saal, hält die Hände gefaltet – während die Richterin ihr einen Freispruch erster Klasse ausstellt. Nur zehn Minuten benötigt die Vorsitzende für ihr Urteil: Es gab keine Brandstiftung, keinen Mord an dem bettlägerigen Vater, die Arzthelferin saß 888 Tage unschuldig im Gefängnis. Das Gutachten des Landeskriminalamtes (LKA), das die 52-Jährige ins Visier der Ermittler brachte, sei „nicht tragfähig“, heißt es im Urteil. „Der notwendige selbstkritische Ansatz hat von Anfang an gefehlt.“

Monika de M. begreift das alles erst später. Als sie auf dem Flur von ihrem Sohn umarmt wird, fließen die Freudentränen. „Ich muss erst alles sacken lassen“, sagt die Neuköllnerin. Im ersten Prozess hatte das Urteil lebenslang gelautet. Das LKA war zu dem Schluss gekommen, dass in der Nacht zum 18. September 2003 im Haus des kranken Theodor de M. im Neuköllner Uhuweg literweise Brennspiritus vergossen wurde. Das hätten chemische Analysen ergeben, verteidigten die Experten ihr Gutachten. Monika de M. wurde unterstellt, dass sie mit dem Geld der Versicherung ein neues Leben beginnen wollte. Ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf.

Im ersten Prozess hatten sich die Richter voll und ganz auf das schon damals umstrittene LKA-Gutachten verlassen. „Das war falsch“, heißt es im gestrigen Urteil. Nichts spreche für Spiritus. Diese These sei durch eine Sachverständige des Bundeskriminalamtes anhand der Brandspuren im Haus eindeutig widerlegt worden. Alles deute auf einen Schwelbrand hin, der durch eine brennende Zigarette von Theodor de M. ausgebrochen sei. Und das heißt: Es war ein Unfall, kein Mord.

Die Unfalltheorie hatte das LKA offenbar zu früh verworfen. „Der unsachgemäße Umgang mit Tabakglut ist im LKA-Gutachten nur verkürzt diskutiert“, sagt die Richterin. Chemische Analysen der genommenen Proben aus dem Haus hätten nicht mit dem Spurenbild übereingestimmt. Beim LKA hätte man das kritisch hinterfragen müssen. „Das hat nicht stattgefunden.“ Der Fall belege, in welchem Maße Gerichte in solchen Verfahren auf „sorgfältige und kritisch hinterfragte“ Sachverständigengutachten angewiesen seien. Das Rechtssystem, so die Richterin, habe zwar letztlich gegriffen. „Aber jede zu Unrecht erfolgte Verurteilung ist eine zu viel.“

Niemand darf Monika de M. noch eine Mörderin nennen – die Brandnacht dürfte sie aber juristisch noch eine Weile beschäftigen. Die Versicherung ihres Vaters hat bislang nicht gezahlt. Derweil haben dafür die Nachbarn der abgebrannten Doppelhaushälfte die Familie „auf 103 000 Euro Schadensersatz verklagt“, sagt de M. Ihr hat das Gericht gestern eine Haftentschädigung zugesprochen: Elf Euro pro Tag, das sind 9768 Euro für zweieinhalb Jahre Gefängnis. (K.G./kf)

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