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Justizvollzugsanstalten: Kameras statt Wachpersonal

Ein vom Justizministerium in Auftrag gegebenes Gutachten schlägt zahlreiche Verbesserungen in den Berliner Gefängnissen vor. Zusätzliche Technik soll die Beamten entlasten, damit diese wieder mehr Zeit für die eigentliche Häftlingsbetreuung haben.

Durch den verstärkten Einsatz von Technik könnte das Personal in den Berliner Justizvollzugsanstalten (JVA) künftig entlastet werden. Dies geht laut einem Zeitungsbericht aus einem von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) in Auftrag gegebenen Gutachten der Unternehmensberatung Kienbaum hervor. Zugleich decken die Experten erhebliche organisatorische Mängel auf und schlagen die Zusammenlegung von Standorten vor. Die Fraktionen von CDU und Grünen übten im Zusammenhang mit dem Gutachten scharfe Kritik an der Personalausstattung in den Berliner Haftanstalten.

Die Fachleute von Kienbaum regen dem Bericht zufolge unter anderem an, den Turmdienst auf das erforderliche Mindestmaß zu reduzieren und gegebenenfalls durch technische Überwachungsanlagen zu ersetzen. Durch den Einsatz von Kameras soll beispielsweise erreicht werden, dass der Aufwand für die reine Bewachung der Gefangenen sinkt und es im Gegenzug mehr Zeit für die Betreuung der Häftlinge gibt.

Technik soll Beamten entlasten

Derzeit können sich Bedienstete wegen Personalmangels und Überbelegung in der Jugendstrafanstalt nur in sechs Prozent ihrer Arbeitszeit um die kriminellen Jugendlichen in Gesprächen kümmern, hieß es weiter. Dagegen nähmen Überwachungsaufgaben mit 23 Prozent deutlich mehr Arbeitszeit in Anspruch.

Ähnlich schlecht sieht es dem Gutachten zufolge bei der Betreuung erwachsener Gefangener aus. In ihrer Arbeitszeit müssten die Justizvollzugsbediensteten zudem teilweise absurd anmutende Aufgaben erfüllen. Weil etwa auf einigen Stationen Duschen fehlten, würden "Badebeamte" die Gefangenen auf andere Abteilungen bringen. Die Gutachter schlagen nach Darstellung des Blattes auch vor, die JVA Hakenfelde für Freigänger mit der Nebenstelle Kisselnallee sowie die JVA für Frauen mit den Standorten Lichtenberg, Pankow, Reinickendorf und Neukölln zusammenzulegen.

Haftanstalten drohen zu reinem "Verwahrvollzug" zu verkommen

Der justizpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Rissmann, sagte, das Kienbaum-Gutachten offenbare "eklatante Mängel" in den Berliner Gefängnissen. Besonders erschreckend sei, dass die Haftanstalten zu einem "reinen Verwahrvollzug" zu verkommen drohten. Die CDU-Fraktion erneuerte ihre Forderung, das Personal in den Justizvollzugsanstalten in den nächsten drei Jahren um 300 Stellen aufzustocken. Als Sofortmaßnahme sollten noch in diesem Jahr 140 Neueinstellungen erfolgen.

Aus Sicht des Rechtsexperten der Grünen-Fraktion, Dirk Behrendt, macht das Gutachten außerdem deutlich, dass in Berlin bisher eine sinnvolle Personalplanung und ein effektiver Personaleinsatz fehlten. Die Arbeit mit den Gefangenen müsse Vorrang vor bürokratischen Beschäftigungen haben. Im Hinblick auf die kommenden Haushaltsberatungen müsse auch erörtert werden, ob die Aufgaben mit dem vorhandenen Personal erfüllt werden könnten. (mit ddp)

Mirko Hertrich

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