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Der Eingangsbereich des Helios-Klinikums in Berlin Buch, aufgenommen am 21.12.2010. Nach sexuellen Übergriffen auf Jungen der Kinderintensivstation der Helios-Klinik in Berlin-Buch beginnt am 19. April der Prozess gegen einen damaligen Pfleger. Das Berliner Landgericht verhandelt wegen sexuellen Missbrauchs von drei kranken und wehrlosen Kindern, die zwischen Juni und November 2010 medizinisch behandelt wurden.

© dpa

Update

Kinder-Intensivstation in Buch: Pfleger gesteht Missbrauch

Der 29-jährige Michael N. verging sich in der Helios-Klinik in Berlin-Buch an drei kranken Jungen. Zur letzten Tat kam es, obwohl bereits eine Anzeige gegen ihn vorlag.

Langsam ging die Hand des Krankenpflegers zum Mikrofon. „Ich merkte, dass ich die Kontrolle verliere“, gestand er. Michael N. schluckte, suchte nach dem nächsten Satz. „Nach dem ersten Übergriff wusste ich: Jetzt ist der Teufel nicht mehr im Zaum zu halten.“ N. blieb dennoch auf der Kinder-Intensivstation der Helios-Klinik in Buch. Drei wehrlose Patienten, neun, fünf und acht Jahre alt, missbrauchte er. Obwohl ihn Eltern im September 2010 anzeigten, wurde er erst drei Monate später verhaftet. Als der 29-Jährige in der Zelle saß, wollte er sich umbringen. Er ist seitdem gelähmt.

„Ich bin in höchstem Maße beschämt und bereue zutiefst“, verlas der Verteidiger eine Erklärung des Angeklagten. Michael N. wurde am Donnerstag im Rollstuhl in den Saal geschoben. Er ist ein Pflegefall. In der Untersuchungshaft habe sich N. selbst bestrafen wollen, sagte der Anwalt. N. verstümmelte sich am Unterleib, kastrierte sich selbst. Lange war sein Zustand kritisch. 16 Monate später legte N. nun ein Geständnis ab, sprach über seine Lebenslüge, seine „nackte Angst, sich als Pädophiler outen zu müssen“, über seine „völlige Selbstüberschätzung“ im Umgang mit seiner sexuellen Neigung.

In sein „Opferschema“, so der Täter, passten blonde Jungen mit blauen Augen. Am Vormittag des 11. Juni 2010 kam es zum ersten Übergriff. Er fasste einen 9-Jährigen an, der nach einem Unfall mit einer schweren Gehirnerschütterung auf der Intensivstation lag. Seine Schandtaten filmte N. mit dem Handy. Ähnlich ging er vor, als er in der Nacht zum 17. August 2010 einen fünf Jahre alten Jungen missbrauchte, der nach einer Vergiftung intensivmedizinisch behandelt wurde.

Zum letzten Übergriff hätte es eigentlich nicht kommen dürfen. Es geschah am 16. November 2010 nach Mitternacht, als Michael N. wieder am Bett eines kranken Jungen stand. Acht Jahre alt war der kleine Patient damals, er befand sich wegen eines epileptischen Anfalls auf der Kinder-Intensivstation. Wieder verging er sich an einem Kind. Obwohl bei der Polizei längst die Anzeige der Eltern des ersten Opfers lag. Erst am 17. Dezember 2010 führten Beamte den Kinderschänder ab. In seiner Wohnung entdeckte man klare Beweise und 639 kinderpornografische Bilder. Warum liefen die Ermittlungen so spät an? Auch darauf werden nun Antworten erwartet.

Michael N. ist der Polizei vorher nie aufgefallen. Er hat keine Vorstrafen, er galt als freundlich, sehr hilfsbereit und sozial engagiert. Der Pfleger lebte allein in einer Wohnung im Pankower Ortsteil Karow. Seit Oktober 2009 arbeitete N. auf der Kinder-Intensivstation in dem großen Klinikgebäude am nordöstlichen Stadtrand. Er war zuvor auf anderen Stationen. „Ich bin nicht mit der Absicht dort hingegangen, um Kinder zu missbrauchen“, beteuerte der Angeklagte. Als er merkte, dass er beim Anblick „bestimmten Kinder“ ein starkes Verlangen spürte, habe er sich abgelenkt oder Medikamente geschluckt. Er habe aus Angst keine professionelle Hilfe gesucht.

Schließlich verlor er die Beherrschung. „Ich hatte es nicht geplant“, versicherte N., der jetzt in Therapie ist. Es sei für ihn auch „ein Wunder, dass mich Kollegen nicht entdeckten“. Denn die Türen seien auf der Intensivstation nicht geschlossen, damit Pfleger und Ärzte etwaige Komplikationen sofort registrieren können. N. sagte, er könne sich an die konkreten Situationen bei seinen Taten nicht erinnern. Die Klinik hatte nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle sofort Konsequenzen gezogen und ein Kinderschutzprogramm aufgelegt. Der Prozess geht Dienstag weiter.

Zuschauer der Verhandlung erinnerte der Fall an die Anfang April bekannt gewordene schwere Polizeipanne im Zusammenhang mit dem Sexualmord an der elfjährigen Lena in Emden. Wie berichtet, hatte sich der geständige 18-jährige Täter schon im November vergangenen Jahres, also vier Monate bevor er das Mädchen missbrauchte und erstach, bei der Polizei in Emden wegen seiner pädophilen Neigungen selbst angezeigt. Er war zu dieser Zeit in psychiatrischer Behandlung. Die Anzeige wurde aber nicht weiter verfolgt, obwohl das Amtsgericht Hannover im Dezember 2011 zusätzlich einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des 18-Jährigen erwirkte. Bis zum Mord an Lena am 24. März und der Festnahme des jungen Mannes am 1. April geschah dann aber nichts.

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