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Verurteilt. Der junge Mann, der die 14-Jährige Alyssa aus Eichewalde erstochen hat, muss mehr als 13 Jahre ins Gefängnis.

© dpa

Update

Lange Haftstrafe im Mordfall Alyssa: "Die schlimmste Tat, die ich als Richter verhandelt habe"

Das Gericht blieb nur wenig unter der Höchststrafe für Jugendliche: 13 Jahre und sechs Monate muss der 21-Jährige ins Gefängnis, der die 14-Jährige Alyssa aus Eichwalde mit 78 Messerstichen ermordete. Der Vorsitzende Richter sprach klare Worte.

Von Sandra Dassler

Der Vorsitzende Richter Thomas Braunsdorf fand deutliche Worte: „Es war eine grausige Tat, die schlimmste, die ich in meinem nicht gerade kurzen Richterleben verhandelt habe“, sagte er am Donnerstag in seiner Urteilsbegründung. Zuvor hatte die 3. Strafkammer des Landgerichts Cottbus den 21-jährigen Maurice M. aus Lohmar in Nordrhein-Westfalen wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der junge Mann am 18. November 2013 die 14-jährige Alyssa in Eichwalde bei Berlin mit 78 Messerstichen ermordet hat. Die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe seien erfüllt, sagte der Vorsitzende Richter und folgte damit der Auffassung der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen Mordes und zur höchstmöglichen Jugendstrafe von 15 Jahren gefordert hatte.

Ihre Leidenschaft waren Manga-Comics

Der Richter schilderte noch einmal, wie die 14-jährige Alyssa den damals 20-jährigen Schüler Maurice kennen gelernt hatte. "Früher hätten wir das als Brieffreundschaft bezeichnet", sagte er. Im Internet hatten die beiden für ihre Leidenschaft, japanische Comicfiguren, so genannte Mangas, geschwärmt. Doch schnell habe Maurice das sechs Jahre jüngere Mädchen unter Druck gesetzt, ihr geschildert, dass er sich schlecht fühle, wenn er sie nicht persönlich kennen lernen dürfe, mit Selbstmord gedroht, wenn sie seine unsterbliche Liebe nicht erwidere.

"Es war Alyssas gutes Herz, das ihr zum Verhängnis wurde", sagte der Richter  mit Blick auf die Eltern der 14-Jährigen, die als Nebenkläger im Gerichtssaal saßen: "Sie hatte Mitleid mit dem jungen Mann, deshalb lebt sie nicht mehr."

Der Mörder lauerte seinem Opfer auf

Als Alyssa ihrem späteren Mörder irgendwann sagte, sie sei doch erst 14 und wolle keine so intensive Beziehung, sondern nur ihre Ruhe, habe sich Maurice M., der sich für den Mittelpunkt der Welt halte, extrem gekränkt gefühlt. Heimtückisch habe er so getan, als fahre er zurück nach Köln, indem er sogar SMS-Nachrichten vom Stau  "unterwegs" geschickt hatte - in Wahrheit fuhr er zurück und lauerte dem Mädchen auf.

Nach einer längeren Unterhaltung habe er die völlig arglose Alyssa mit einer Bierflasche bewusstlos geschlagen und anschließend mit 78 Messerstichen ermordet.

Der Richter ersparte den Zuhörern nicht die schrecklichen Details: Die Messerstiche hatten alle lebenswichtigen Organe zerstört, die Aorta war mehrfach durchtrennt worden, Alyssa verblutete innerhalb von Minuten. Mit dem letzten Messerstich habe Maurice M. das junge Mädchen regelrecht am Erdboden festgenagelt, sagte der Richter.

Nur in der virtuellen Welt ein Held

Der Verurteilte zeigte wie schon in den 20 Prozesstagen vorher keine emotionale Regung, sondern schrieb, den Kopf gesenkt, eifrig mit. Sein Gesicht hatte er beim Betreten des Gerichtssaals vor den Fotografen hinter einem Aktenordner versteckt, die schwarzen Haare zu einem kurzen Pferdeschwanz nach altjapanischer Art zusammengebunden. Er ist nur 1,65 Meter groß, ein Einzelgänger, der nur in der virtuellen Welt ein Held war, wie Mitschüler dem Gericht geschildert hatten.

Seine Verteidiger hatten eine Verurteilung wegen Totschlags mit einer Haftstrafe nicht über neun Jahren gefordert. Ob sie nun in Revision gehen, ließen sie gestern noch offen.

Sven Peitzner, der Anwalt der Eltern zeigte sich hingegen mit dem Urteil zufrieden. "Das Gericht ist fast bis an die Höchstgrenze der Jugendstrafe gegangen", sagte er. Alyssas Mutter, die während der Urteilsverkündung immer wieder weinen musste, bat um Verständnis dafür, dass die Familie erst einmal Ruhe haben wolle.

Besondere Schwere der Schuld

Der Richter empfahl dem Verurteilten dringend, sich während der Haft in psychotherapeutische Behandlung zu begeben - auch "wenn dieser offenbar davon überzeugt ist, dass in seinem Oberstübchen alles stimmt." Das Gericht teilte diese Auffassung offenbar nicht, ein Gutachter hatte dem jungen Mörder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Während der U-Haft hatte sich Maurice M. darüber beschwert, dass er "mit Verbrechern zusammen" eingesperrt sei. "Sich selbst hält er offenbar für etwas Besseres", sagte der Richter, der im übrigen auch auf die besondere Schwere der Schuld hinwies, die eine Überschreitung der ansonsten auf zehn Jahre begrenzten Jugendstrafe gerechtfertigt erscheinen lasse. Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass er die Tat indirekt eingeräumt habe, indem er sich zu Prozessbeginn um Entschuldigung bat.

Die zahlreichen Zuschauer im Gerichtssaal - darunter auch einige Freunde Alyssas - ließen keinen Zweifel daran, dass sie das Urteil für gerechtfertigt halten. "Eigentlich hätte er sein ganzes Leben lang weggesperrt werden müssen", sagte eine junge Frau: "Für mich ist und bleibt er ein kranker Sadist und ich kann nur den Eltern viel Kraft auf ihrem weiteren schweren Weg wünschen."

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