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Mieter fühlte sich terrorisiert: Mordanschlag wegen bevorstehender Zwangsräumung

Ein 52-Jähriger steht derzeit wegen Mordversuchs vor Gericht - er ging auf seine Vermieter los, kurz bevor seine Wohnung zwangsgeräumt werden sollte. Der Mann bezeichnet sein Vorgehen als "Verzweiflungstat", die Staatsanwaltschaft als "heimtückisch".

Bis zur geplanten Zwangsräumung war es keine Stunde mehr, als Roland W. sein Messer zog. Der 52-Jährige ging auf seine Vermieter los und verletzte die damals 66-jährigen Eheleute schwer. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft stach er aus Wut und Ärger heimtückisch zu und wurde beinahe zum Mörder. Der Anwalt sieht es anders. „Er fühlte sich durch den jahrelangen Rechtsstreit regelrecht terrorisiert“, erklärte der Verteidiger am Mittwoch im Prozess wegen versuchten Mordes. „Es war eine Verzweiflungstat“.

Wie versteinert saß Roland W. auf der Anklagebank und schwieg zunächst. Zwölf Jahre wohnte er im rechten Seitenflügel eines Altbaus in der Simon-Dach-Straße in Friedrichshain – seit 2005 im Streit. Es ging um Modernisierungsmaßnahmen und die Höhe der Miete. „Er war total genervt, fühlte sich gemobbt und aus der Wohnung geekelt“, sagte Anwalt Mirko Röder. Aus Sicht des Angeklagten ging es den Vermietern darum, die Wohnungen herauszuputzen und betuchte Mieter ins Haus zu holen. W. als ein „normaler, kleiner Mieter“ habe sich vertrieben gefühlt.

Roland W. gehörte längst nicht mehr zu jenen, die ihr Leben im Griff haben. Der gelernte Industriekaufmann und Raumausstatter hockte in einem Chaos. Seine Wohnung sei vermüllt gewesen, hieß es. Den Job hatte er verloren. „Er ist in ein soziales Loch gefallen“, sagte der Anwalt. Die Miete habe W. gemindert. Er habe sich dabei auf Lärm und die Dauer der Arbeiten berufen. Der Rechtsstreit aber endete mit einem Räumungstitel. W. blieb stur. Bis es am 20. August um 10 Uhr zur Zwangsräumung kommen sollte. Doch als die Gerichtsvollzieherin eintraf, war der Streit gerade eskaliert.  

Gegen 9.40 Uhr traf er im Hausflur auf die Vermieterin und deren Mann. W. hatte kurz zuvor in seinen vier Wänden bereits zerstörerische Tatsachen geschaffen: Es brannte an drei Stellen. Mit einem Seesack, rund 2300 Euro in Briefumschlägen und einem Messer am Gürtel hatte er sein Domizil verlassen. Als er die Eheleute sah, soll er unvermittelt angegriffen haben. Immer wieder stach er zu, traf die Frau acht Mal, den Mann zehn Mal. Es gelang ihnen, sich in den Hof zu retten. Ein Nachbar fand die blutüberströmten Opfer und alarmierte die Polizei. Der Täter saß mit Blut an den Händen auf einem Treppenabsatz. Er wirkte nicht betroffen, sagte ein Beamter, er war passiv.

Zweifacher versuchter Mord und Brandstiftung wird ihm nun vorgeworfen. Er wird die Messerattacke nicht bestreiten. Doch aus Sicht seines Anwalts war es kein Mordanschlag. Das Zusammentreffen mit der Eigentümerin sei zufällig gewesen, es liege ein versuchter Totschlag vor. Zudem gebe es „deutliche Anzeichen“ für verminderte Schuldfähigkeit. „Er war in einem psychischen Ausnahmezustand.“ Der Prozess geht Donnerstag weiter.

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