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Mordprozess: Tod eines Tyrannen

Zwei junge Litauer kamen voller Hoffnung auf Arbeit nach Berlin, gerieten jedoch bald an einen Zuhälter, der sie zur Prostitution zwang. Schließlich brachten die beiden ihren Peiniger um.

Sie kamen voller Hoffnungen nach Berlin. Doch der Landsmann, den sie über das Internet kennengelernt hatten, zeigte bald sein wahres Gesicht. Jokubas S. und Sergejus A., zwei 19- und 20-jährige Litauer, ließen sich auf einen mutmaßlichen Zuhälter ein. Er kontrollierte und erniedrigte sie, er zwang sie zur Prostitution. In der Nacht zum 2. November 2011 brachten sie ihn um. „Der Tod von Renaldas D. war für mich der einzig mögliche Ausweg, diesem Tyrannen zu entkommen und in Zukunft keine Angst mehr vor ihm haben zu müssen“, erklärte S. vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft aber geht von einem Raubmord aus. Sie hätten den 37-jährigen D. getötet, „um sich in dessen Eigentum stehende Wertgegenstände zu verschaffen“. Nach Darstellung der jungen Litauer war allerdings keinerlei Gier im Spiel. Erst nach dem Angriff auf D. hätten sie „spontan“ beschlossen, Dinge mitzunehmen. „Wir benötigten Geld, um uns über Wasser halten zu können“, sagte S. Er war nach Berlin gekommen, um Geld für ein Musikstudium in New York zu verdienen.

Renaldas D. hatte sich im Internet als Student ausgegeben. Tatsächlich betrieb er einen Escort-Service für Männer. Er galt als Zuhälter in der Homosexuellen-Szene und Porno-Fotograf. Als die Angeklagten nach Berlin kamen, lehnten sie es strikt ab, sich zu prostituieren. Sie ließen sich jedoch auf Nacktfotos ein. Er versprach Geld dafür. Sie mussten es für Kost und Logis zurückzahlen. D. soll danach gedroht haben, die Bilder im Internet zu veröffentlichen, falls sie sexuelle Dienste ablehnen sollten.

„Sie waren unter 18 Jahre alt, sie wurden sklavenartig gehalten“, sagte Anwalt Mirko Röder. D. habe einen Callboyring betrieben. Es gebe eine Kundenliste bis hin in Kreise der Berliner Politik, Wirtschaft und Medien. Die Angeklagten mussten sich mit D. das Bett in einer Einraumwohnung in Tempelhof teilen. „Wir mussten ihn sexuell befriedigen, uns fast täglich bei Kunden prostituieren“, schilderten sie. „Regelmäßig erniedrigte er uns.“ Er hatte die Kontrolle. „Wir fassten den Gedanken, ihn umzubringen und wegzulaufen.“ Sie schlugen zu, als er wieder einmal total betrunken war.

Mit einer Schnur, die bis dahin bei Fesselsex zum Einsatz kam, verschnürten sie ihn. Als Renaldas D. bewegungsunfähig auf dem Bett lag, legten sie eine Decke auf ihr Opfer und erstickten es mit einem Kissen. Das haben die Männer zugegeben. Dann hätten sie Geld und ihre Pässe gesucht, sagte der ältere Angeklagte. Er wirkt gebrochen. Sie fanden 40 Euro und nahmen Fotokameras, Flachbildschirm und Computer mit. Wenige Stunden später saßen sie im Bus nach Vilnius. A. blieb dort, S. flog weiter nach New York. Er hielt Kontakt zu einem ARD-Fernsehjournalisten, den er in Berlin kennengelernt hatte. Frank Breuner wandte sich an die Polizei. Dann überredete er S. nach Berlin zurückzukommen. „Wir lieben uns“, sagte Breuner am Rande des Prozesses. Doch über Haftbedingungen und die lange Dauer bis zur Verhandlung sei er entsetzt. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt.

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