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Motorradgangs: Ermittler fürchten neuen Rockerkrieg

Motorradclubs sind bundesweit in Aufruhr, nachdem am Mittwoch 70 Berliner Bandidos zu den konkurrierenden Hells Angels übergelaufen sind. Die neuen Mitglieder sollen der türkischen Sektion des Clubs angeschlossen werden, bestätigte ein Sprecher dem Tagesspiegel.

Der Chef und Mitbegründer der deutschen Hells Angels, Rudolf "Django" T., hat den Übertritt von 70 Berlinern Anhänger des Rockerclubs Bandidos zu den konkurrierenden Hells Angels bestätigt. "Die Männer sind bei den Bandidos ausgetreten und haben sich mit sofortiger Wirkung uns angeschlossen“, sagte T. am Donnerstag dem Tagesspiegel.

„Die Neuen werden aber Teil der Hells Angels Türkei sein.“ Das habe nichts damit zu tun, dass die Ex-Rivalen Szenekennern zufolge von Centro-Chef Kadir P. geleitet werden und ein Großteil der Männer nichtdeutscher Herkunft ist. „Dass die Neuen der türkischen Sektion angehören, hat interne Gründe, über die ich nicht reden möchte“, sagte T.

Die Berliner Ex-Bandidos, die als besonders militant gelten, fungieren nun als Sektion der türkischen Höllenengel in Deutschland. Die Polizei fürchtet Racheakte in der Szene.

Polizei überwacht Clubhäuser und Treffpunkte

Das für die Bekämpfung der Rockerkriminalität zuständige Landeskriminalamt setzte bereits am Mittwoch einen internen Warnhinweis ab. Stadtweit wurden Bereitschaftspolizisten und zivile Aufklärer zu den Clubhäusern und Treffpunkten der beiden Rockergangs beordert.

In der vergangenen Woche sollen sich die Chapter „El Centro“ und „Southside“ eine blutige Auseinandersetzung geliefert haben. Daraufhin entschlossen sich die Rocker von „El Centro“ mit ihren Unterstützern, zum Feind überzulaufen – und zwar ausgerechnet einen Tag vor dem 20. Geburtstag der Berliner Hells Angels am Mittwoch.

Dass ein komplettes Chapter überläuft, sei bislang unvorstellbar gewesen, sagen Polizeiexperten. Vor allem in Skandinavien hatte es in den 90ern Konkurrenzkämpfe mit einer Vielzahl von Toten gegeben, dabei waren selbst Panzerfäuste eingesetzt worden. Diese Rivalität setzte sich auch in Deutschland mit mehreren Toten fort. Aufsehen erregte vor allem eine Bandidos-Attacke im August 2008 mit Macheten in Charlottenburg ausgerechnet auf einen Vizepräsidenten der Hells Angels – und ausgerechnet vor deren Clubhaus. Im vorigen Jahr gab es dann einen Toten: Nach dem Mord am „Höllenengel“ Michael B. in Hohenschönhausen im August hatte die Polizei mit großem Personaleinsatz befürchtete Racheakte verhindert. Wie berichtet, wollte B. möglicherweise zu den Bandidos überlaufen. Der Mord ist bislang nicht aufgeklärt, wird nicht von der Mordkommission, sondern der Abteilung 4 im LKA bearbeitet – die gestern auch die interne Warnung absetzte. Mit Razzien und Kontrollen wurde beiden Seiten zuletzt gezeigt, dass die Polizei präsent ist.

Lage ist völlig unübersichtlich

Wie es im LKA hieß, sei die Lage nun völlig unübersichtlich. Aus drei Gründen seien Gewalttaten jetzt wahrscheinlich: Die bei den Hells Angels neu aufgenommenem Mitglieder von „El Centro“ müssen erst ihre Loyalität beweisen – durch besonders mutige Taten. Zudem sind die Hells Angels jetzt in Siegerlaune, weil sich das bislang eher in Richtung Bandidos tendierende Kräfteverhältnis nun stark zu Gunsten der Hells Angels verschoben hat. Und, drittens, die Bandidos sind nach diesem einmaligen Ansehensverlust nun unberechenbar.

Seit Jahren streiten Hells Angels und Bandidos in der Region um die Vorherrschaft im Geschäft mit Prostitution, Drogen- und Waffenhandel. Der Bund deutscher Kriminalbeamter warnte schon nach dem Mord an B. vor Vergeltungsaktionen, bei der auch die Bevölkerung gefährdet sein könnte. Denn mehrfach hatten sich die Clubs auf offener Straße mit Schusswaffen bekämpft. Wegen der massiven Verfolgung durch die Polizei wichen die Rocker in den vergangenen Jahren nach Brandenburg aus. Auch dort kam es zu vielen Gewalttaten. So hatte es in Eberswalde im Juni 2009 einen Angriff auf drei Hells Angel bei Eberswalde gegeben, alle drei wurden schwer verletzt. In Potsdam gab es dann im August 2009 eine Schießerei zwischen den Hells Angels und dem Gremium MC mit drei Verletzten.

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