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Im Visier. SPD-Landeschef Jan Stöß wird nun von Linksextremen bedroht.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

Nach Anschlag auf CDU-Büro in Friedrichshain: Im Internet wird nun SPD-Landeschef Jan Stöß aufs Korn genommen

Drohung oder dummes Zeug? In einem angeblichen Bekennerschreiben haben Linksextremisten den Anschlag auf ein CDU-Bürgerbüro zugegeben. Sie drohen darin auch dem SPD-Landeschef Jan Stöß, den sie als "Rechtsabweichler" bezeichnen. Die Polizei nimmt das Schreiben nicht so ernst - und Stöß auch nicht.

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Zum jüngsten Anschlag auf das Büro des CDU-Abgeordneten Kurt Wanser liegt nun ein angebliches Selbstbezichtigungsschreiben vor. In der Nacht zu Dienstag wurde es auf einem linken Internetportal veröffentlicht. "Unser Ziel war das neue Büro des CDU-Hetzers Kurt 'Flüchtlinge sind schlimmer als Ratten' Wansner. Mittels militanter Vehemenz gelang es uns in einem geradezu epischen Kampf unter Aufwendung aller revolutionären Kräfte das aus Metall gefertigte Büroschild aus der Wand zu reißen.", heißt es unter anderem in dem Schreiben.

Es folgen Sätze, die sich als Drohung gegen Wansner und den Berliner SPD-Chef Jan Stöß lesen lassen: "Rassisten wie Kurt Wansner seien hiermit gewarnt: Kreuzberg-Friedrichshain und weitere Bezirke und Stadtteile von Berlin erklären wir mit Wirkung vom 25.03.2014 12:00 Uhr zu einem Nicht-Geh-Gebiet für Hetzer wie Wansner oder Rechtsabweichler wie Jan Stöß."

Erschienen ist das mit „Autonome Plausibilisten“ unterzeichnete Schreiben auf der linken Internetseite „linksunten.indymedia“. Linksunten ist eine offene Plattform, auf dem jeder ohne Kontrolle Texte einstellen kann. Genutzt wird es gerne für Bekennerschreiben. Eine Sicherheit, dass ein Schreiben echt ist, gibt es erst, wenn so genanntes Täterwissen preisgegeben wird – zum Beispiel wie oder wo genau ein Auto angezündet wurde.

Natürlich liest dort auch der Staatsschutz mit. Das LKA rief Stöß am Dienstag sofort an und informierte ihn, dass er dort „erwähnt“ wird. „Sensibilisierungsgespräch“ nennt sich das. „Ich fühle mich nicht bedroht“, sagte der Berliner SPD-Chef dem Tagesspiegel. Und weiter: „Die demokratischen Parteien und Abgeordneten werden sich durch Übergriffe auf unsere Bürgerbüros nicht einschüchtern lassen. Bei Kurt Wansner wird das, so wie ich ihn kenne, ganz bestimmt nicht der Fall sein.“

Senatssprecher: Das ist eine "unsägliche Entwicklung"

Der Politik ist nicht zum spaßen zumute. Senatssprecher Richard Meng sagte am Dienstag, das sei eine „unsägliche Entwicklung“. Gewaltandrohung und Gewalt in jeder Form gegen Jedermann wird nicht akzeptiert.“ Man dürfe es nicht zulassen, dass scheinbar politische Motive vorgeschützt würden. „Das hat mit Politik nichts mehr zu tun. Das ist kriminell.“ Stöß` Amtsvorgänger, SPD-Senator Michael Müller, bewertete das als „unfassbaren Vorgang. Alle demokratischen Kräfte müssen zusammenhalten, um diesen Leuten keinen Raum zu bieten“.

Doch so richtig scharf sind die Drohungen nicht: Als Beispiele „weiterer Terrorschläge“ werden „Klingelstreiche oder das unbestellte Anliefern von italienischen Speisen“ genannt. Wie wertet die Polizei das? Offiziell ließ sich das Präsidium nur zu einem Satz hinreißen: „Das Schreiben ist uns bekannt.“ Denn: „Angelegenheiten des Personenschutzes sind Verschlusssachen im Sinne der Verschlusssachenanweisung und unterliegen damit der Verpflichtung zur Geheimhaltung", so antwortete vor Jahren die Innenverwaltung einem Abgeordneten auf eine kleine Anfrage. Unter der Hand hieß es gestern im Polizeipräsidium, dass Stöß nicht gefährdet sei. Personenschutz vom LKA bekomme er nicht.

Am Wochenende hatten Unbekannte des Büro von Wansner angegriffen

Kurt Wansner ist Berliner CDU Politiker.
Kurt Wansner ist Berliner CDU Politiker.

© Imago

Am vergangenen Freitag hatte der CDU-Politiker Wansner, wie berichtet, sein Bürgerbüro eröffnet – und schon am Wochenende wurde es zum Ziel der Linksextremisten. Unbekannte rissen das Aluminiumschild gewaltsam von der Fassade des Hauses an der Gubener Straße in Friedrichshain. Wansner stellte Strafanzeige bei der Polizei. Zudem teilte der Abgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg mit, das Landeskriminalamt habe ihn in der vergangenen Woche gewarnt, dass gegen ihn persönlich eine Bedrohung aus der linken Szene bestehe. Die Experten des zuständigen Fachkommissariats rieten ihm zum Beispiel, seinen Wagen nicht mehr vor dem Haus abzustellen und den Kreuzberger Oranienplatz zu meiden. Auch die kleine Feier zur Eröffnung des Bürgerbüros fand unter Polizeischutz statt. „Die letzten Tage zeigen deutlich die Intoleranz der Linken in Friedrichshain-Kreuzberg“, sagte Wansner. In den kommenden Tagen sei er erst einmal auf Dienstreise in der Türkei.

Der CDU-Abgeordnete, dem man oft den Beinamen „konservativer Hardliner“ gibt, kämpft seit Monaten gegen das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz. Zuletzt hatte er einen Antrag beim Bezirksamt gestellt, ebenfalls eine Hütte auf dem Oranienplatz errichten zu dürfen. Eine Antwort habe er bislang nicht, sagte der Politiker dem Tagesspiegel. Er erwarte einen Bescheid in der kommenden Woche.

Serie der linksextremistischen Anschläge geht weiter

Schon im April vergangenen Jahres war Kurt Wansner Opfer von Linksextremisten geworden: Unbekannte hatten sein Privathaus in Britz mit Farbbeuteln attackiert. Auf einer Internetseite hatten „Autonome Antirassisten“ damals ein Bekennerschreiben dazu veröffentlicht, in der sie die Tat mit dem „alltäglichen Rassismus“ Wansners begründeten.

Wansner berichtete, dass er bereits bei der Eröffnung des Büros angepöbelt worden sei: „Hoffentlich seid ihr Allianz-versichert.“ 

Der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner, verurteilte die Attacke. „Gewalt darf in einer Demokratie nie Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Die mutmaßlich linksextremistischen Täter bedrohen mit ihrer illegalen Aktion die Meinungsfreiheit als wichtigstes demokratisches Grundrecht“, erklärte Wegner.

Unterdessen ging die Serie der linksextremistischen Anschläge auch in der Nacht zu Montag weiter. In der Neuköllner Schudomastraße schlugen zehn bis zwölf Jugendliche gegen 2.35 Uhr bei zwei geparkten Fahrzeugen zunächst die Scheiben ein. Den Renault der Sicherheitsfirma „GSE Protect“ zündeten sie anschließend an. Einen Kleinwagen Smart, der mit Werbung der „Berliner Morgenpost“ beklebt war, kippten sie um. In einem Bekennerschreiben, veröffentlicht in einem linken Internetportal, heißt es: „Die Presselandschaft betreibt nach wie vor eine negative Stimmungsmache gegen Refugees.“ Das Auto von GSE sei „flambiert“ worden, weil die Firma bei der BVG Fahrkarten kontrolliere.

22 Anschläge in zwei Jahren

Die Anschläge zeigen, dass die linksextremistische Szene ihre Taktik gewandelt hat. Es werden nicht mehr wahllos Fahrzeuge angezündet, sondern gezielt. So war in der vergangenen Woche der Wagen des „B.Z.“-Journalisten Gunnar Schupelius angezündet worden. Die Ermittlungen in all diesen Fällen hat der für politische Delikte zuständige Staatsschutz übernommen.

In einem Beitrag für den Tagesspiegel zum Anschlag auf Schupelius machte der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß am Wochenende publik, dass es in den vergangenen zwei Jahren alleine 22 Anschläge auf Büros und Geschäftsstellen der SPD gegeben habe. Stöß sprach von „politischem Irrsinn“. Massive Attacken mit Farbbomben gab es in den vergangenen Jahren auch auf die Häuser des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky und des früheren Finanzsenators Thilo Sarrazin (beide SPD). Regelmäßig werden auch Büros der Linkspartei und der CDU attackiert. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der linksextremistisch motivierten Taten deutlich gestiegen: um 18 Prozent. Die 1023 Taten waren der dritthöchste Stand der vergangenen zehn Jahre.

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