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Update

Nach der tödlichen Attacke am Alex: Henkel kritisiert Freilassung der Alex-Schläger

Zwei junge Männer werden verdächtigt, Jonny K. brutal zu Tode getreten zu haben. Trotzdem befinden sie sich auf freiem Fuß. Freunde und Familie des Opfers sind entsetzt und verängstigt. Sie fürchten, dass die beiden doch flüchten könnten. Auch von anderer Seite regt sich Kritik.

Mit Unverständnis haben Angehörige auf die Freilassung von zwei Männern reagiert, die an dem tödlichen Angriff auf den 20 Jahre alten Jonny K. beteiligt gewesen sein sollen. K. war am frühen Morgen des 14. Oktober auf dem Alexanderplatz von einer Gruppe junger Männer durch Tritte und Schläge tödlich verletzt worden. Ein Verdächtiger, der 19 Jahre alte Osman A., ist in Haft. Zwei weitere, die sich am Mittwoch gestellt hatten, hat ein Ermittlungsrichter von der Untersuchungshaft verschont.

"Wir sind total entsetzt und empört, dass die beiden Verdächtigen nicht in Untersuchungshaft gekommen sind", sagt Kaze C. (29). Er ist einer der Freunde Jonny K.s, der dabei war, als sechs Männer am 14. Oktober am Alexanderplatz auf den 20-jährigen Jonny K. eintraten und einschlugen, so dass dieser später an den Verletzungen starb. Auch Kaze C. war von den Angreifern attackiert worden. Er erlitt einen Jochbein- und einen Armbruch.

Nachdem am Donnerstagabend bekannt wurde, dass zwei der gesuchten Tatverdächtigen - Melih Y. (21) und Memet E. (19) - wieder auf freiem Fuß sind und nach der Entscheidung des Ermittlungsrichters nicht in die U-Haft müssen, "konnten wir die ganze Nacht nicht schlafen", sagt Kaze C. und spricht damit auch im Namen der Schwestern und Eltern von Jonny K. "Die beiden können jetzt frei herumlaufen und machen, was sie wollen. Was ist, wenn sie nun doch abhauen, weil neue Beweismittel auftauchen?", fragt der Freund des Getöteten.

Kaze C. war mit Jonny K. und zwei weiteren Freunden an jenem Sonnabendmorgen aus dem Club "Mio" unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz gekommen. Weil einer seiner Freunde sturzbetrunken war, musste er gestützt werden beim Gehen. Als Jonny den völlig Betrunkenen auf einen Stuhl setzte, schlugen die bis dahin Unbekannten ohne Vorwarnung auf ihn und seine Begleiter ein. Die Verdächtigen sollen zuvor aus der unweit des Tatorts gelegenen Bar "Cancun" gekommen sein.

Der mutmaßliche Haupttäter nahm nach Informationen des RBB erst kürzlich an einem Anti-Gewalt-Training teil. Die Freilassung der beiden Tatverdächtigen halten einige Politiker für fragwürdig. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) begrüßt, dass die Staatsanwaltschaft Haftbeschwerde gegen die Entscheidung des Richters eingelegt hat, den 21 Jahre alten Melih Y. mit Blick auf dessen familiäre Bindungen aus der U-Haft zu entlassen. Er halte das, was die Staatsanwaltschaft macht, „für überzeugend“, so Heilmann. Die Entlassung des 19-jährigen Memet E. wollte Heilmann nicht kommentieren; in dem Fall prüft die Staatsanwaltschaft noch eine Beschwerde. Ein Gerichtssprecher bestätigte der Agentur dapd, dass ein gesuchter Tatverdächtiger einschlägig vorbestraft sei.

CDU-Generalsekretär Kai Wegner sagte, die Entscheidung des Haftrichters widerspreche seinem Gerechtigkeitsempfinden: „Das ist genau das falsche Signal.“ Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte seine „Unzufriedenheit mit dieser Entscheidung“.

„Für die Ermittler ist das ein Schlag ins Gesicht“, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Detlef Herrmann, am Freitag. Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegener sprach von einem „falschen Signal“. Die Staatsanwaltschaft setzte sich unterdessen weiter dafür ein, die tatverdächtigen Männer in Untersuchungshaft zu bringen. „Angesichts der Schwere des Deliktes ist die Haftverschonung nicht hinnehmbar“, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner.

„Man muss sich fragen, ob so eine U-Haftverschonung das richtige Zeichen ist.“

In diesem Fall prüfe die Staatsanwaltschaft noch, ob Beschwerde gegen die Entscheidung des Richters eingelegt werden könne. Der stellvertretende GdP-Vorsitzende Herrmann kritisierte die Entscheidung des Haftrichters, fügte jedoch hinzu: „Staatsanwaltschaft und Richter handeln nach den geltenden Gesetzen.“ Ihre Entscheidungen müsse man hinnehmen. Er hoffe jedoch, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Erfolg habe. „Das wäre ein deutliches Zeichen mit abschreckender Wirkung“, betonte Herrmann.

Der Grünen-Sicherheitsexperte Benedikt Lux betonte dagegen, wenn es keinen Haftgrund gebe, könnten die Männer auch nicht festgehalten werden. „Ich vertraue grundsätzlich dem Haftrichter“, sagte der Abgeordnete. Die Freilassung bedeute nicht, dass ein möglicher Täter straffrei ausgehe. „Das Urteil über die Tat wird noch gesprochen.“

Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner sagte am Freitag, der Beschluss widerspreche seinem Gerechtigkeitsempfinden: „Das ist genau das falsche Signal.“ Zuvor hatte schon Innensenator Frank Henkel (CDU) die Entscheidung kritisiert.

Derzeit ist nur noch ein dritter Tatverdächtiger in Haft. Der 19-Jährige war am Dienstag in Wedding festgenommen worden. Die Polizei fahndet derzeit noch nach drei weiteren mutmaßlichen Tätern, die namentlich bekannt sein sollen.

Vor sieben Jahren hatte es im Fall des getöteten siebenjährigen Christian Sch. aus Zehlendorf einen ähnlichen Streit um die Entscheidung eines Haftrichters gegeben: Der damals 16-jährige Keith M. hatte den Jungen im August 2005 ermordet. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass Keith M. wenige Wochen zuvor einen Soldaten lebensgefährlich verletzt hatte. Danach hatte ein Bereitschaftsrichter Keith M. laufen lassen, trotz laufender Bewährungsstrafe. Auch 2011 hatte die Entscheidung eines Haftrichters zu einer Debatte über die U-Haft geführt. Damals war der „U-Bahnschläger“ genannte Torben P. von der U-Haft verschont worden, nachdem der Gymnasiast einen Mann auf dem Bahnhof Friedrichstraße ins Koma getreten hatte. Der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) war überzeugt, die Gesetze hätten erlaubt, den Tatverdächtigen in Haft zu nehmen. Die Polizei wollte sich gestern nicht zu der Richterentscheidung äußern. „Es gibt aber viel Unverständnis“, sagte ein hochrangiger Beamter.

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hieß es: „Natürlich müssen die Richter unabhängig entscheiden. Wir hoffen aber, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft erfolgreich sein wird“, sagte Sprecher Dieter Großhans. „Man muss sich fragen, ob so eine U-Haftverschonung das richtige Zeichen ist.“ Innenpolitiker der Opposition betonten, die Verschonung sage nichts über Schuld aus. Die werde erst im Strafverfahren festgestellt, sagte der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux. Christopher Lauer von den Piraten sagte, so entsetzlich die Tat sei, so falsch wäre es für einen Politiker, den Richtern hineinzureden.

Am Sonntag wird bei einer Trauerfeier am Fürstenbrunner Weg 10-12 in Westend ab 15 Uhr von K. öffentlich Abschied genommen. Die „private Abschiedsparty“, die bei Buddhisten üblich sei, sagt Kaze C., findet abends im Club „Mio“ am Alex statt – wo die Tragödie begann.

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