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Nach Schüssen auf Boxerin: Stiefvater vor Gericht

Die Boxerin Rola El-Halabi hatte sich im Januar von ihrem Stiefvater, der sie jahrelang managte, losgesagt. Der 44-Jährige versuchte danach mit einem Anschlag die Karriere der Weltmeisterin zerstören

Von Barbara Nolte

Es war ein Racheakt, soviel steht schon vor dem Prozess gegen Hicham El-Halabi fest, der am Dienstag vor dem Berliner Landgericht beginnt. Die Boxweltmeisterin Rola El-Halabi hatte sich im Januar von ihrem Stiefvater, der sie jahrelang managte, losgesagt. Vor ihrem nächsten Kampf – am ersten April diesen Jahres ging es um die Weltmeisterschaft im Frauen-Leichtgewicht – war Hicham El-Halabi in die Aufwärmkabine der Trabrennbahn Karlshorst eingedrungen, in der sich die Stieftochter vorbereitete. Laut Staatsanwaltschaft schoss er ihr gezielt in beide Füße, in das linke Knie und die rechte Hand. Die Anklage lautet auf versuchte schwere Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Den 44-jährigen Stiefvater wegen versuchten Mordes oder Totschlags anzuklagen, habe nie zur Debatte gestanden, sagt der Sprecher des Landgerichts, Tobias Kaehne. Es sei sicher, dass der 44-Jährige die Boxkarriere seiner 26-jährigen Stieftochter beenden, die Frau aber nicht töten wollte.

Hinter dem Verbrechen steckt ein Familiendrama. Rola El-Halabi ist die Tochter von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Libanon. Nachdem ihr Vater die Familie verlassen hatte, lernte ihre Mutter in Ulm Hicham El-Halabi kennen, der das große Talent von Rola El-Halabi zum Boxen mit viel Ehrgeiz förderte. Der Stiefvater hatte angeblich nicht verwunden, dass Rola El-Halabi mit Mitte Zwanzig ihren ersten Freund hatte. Den Freund soll er einmal mit der Faust geschlagen haben. Auch dieser Gewaltausbruch ist in die Anklage eingegangen, genauso wie die Schüsse auf zwei Sicherheitsmänner, die die Tür von Rola El-Halabis Kabine in Karlshorst bewachten. Hicham El-Halabi habe seine Stieftochter immer stark kontrolliert, sagt Jürgen Grabosch, der Trainer von Rola El-Halabi. Grabosch war mit in der Kabine, als Hicham El-Halabi mit gezogener Waffe hereinkam und „raus“ brüllte. „Wenn einer mit der Pistole fuchtelt, geht man raus, ohne groß nachzudenken“, sagt Grabosch. Vor der Tür sah er einen Sicherheitsmann liegen, dem Hicham El-Halabi ins Bein geschossen hatte. Der zweite, ebenfalls angeschossene Sicherheitsmann sei schon weggebracht gewesen, sagt Grabosch. Sie wurden im Unfallkrankenhaus Marzahn notoperiert. El-Halabi hat sich am Tatort der Polizei ergeben und sitzt seitdem in Moabit in Untersuchungshaft.

Rola El-Halabi wurde ebenfalls nach Marzahn gebracht und später ins Bundeswehrkrankenhaus in Ulm verlegt. Mehrere Operationen hat sie hinter sich. Ob die Mittelhandknochen ihrer rechten Hand, ihrer Schlaghand, die der Stiefvater durchschossen hatte, so verheilen, dass sie wieder boxen kann, ist noch immer ungewiss. Jürgen Grabosch sagt, dass er nach wie vor einen Trainervertrag mit ihr habe, der Vertrag ruhe allerdings. „Es hängt auch davon ab, wie sehr sie das Verfahren mitnimmt, wann sie wieder zu trainieren beginnen kann.“

Rola El-Halabi und einer der niedergeschossenen Sicherheitsmänner treten im Prozess als Nebenkläger auf. Wenn der Prozess wie geplant verläuft, sagt die Boxerin bereits heute gegen den Stiefvater aus. Das Urteil soll am 25. Oktober gesprochen werden. Der Stiefvater muss mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei und fünfzehn Jahren rechnen.

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