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Ein 42-jähriger Mann mit türkischer Staatsangehörigkeit starb vor dem Tempodrom an einem Schuss in den Oberkörper.

© imago images/Marius Schwarz

Nach Schüssen vor Tempodrom in Kreuzberg: Haftbefehl gegen 48-Jährigen erlassen – Trauer um getöteten Cüneyt F.

In Neukölln gab es am Donnerstag eine Trauerfeier für den getöteten 42-Jährigen. Gegen einen Tatverdächtigen wurde am Mittag Haftbefehl erlassen.

Der Mann sieht müde aus auf dem Foto. Er trägt ein weißes Hemd, Dreitagebart, eine dunkle Locke fällt ihm von der Seite ins Gesicht. Er lächelt nicht. Doch schaut man genauer hin, könnte man meinen, ein leichtes Schmunzeln umspielt den Mund von Cüneyt F.

Er starb am Freitagabend. Um kurz vor 23 Uhr fielen Schüsse vor dem Berliner Tempodrom in Kreuzberg. Der 42-jährige Kurde mit türkischer Staatsangehörigkeit starb an einem Schuss in den Oberkörper. Vier weitere türkischstämmige Männer im Alter zwischen 28 und 52 Jahren wurden durch Schüsse verletzt, einer davon schwer.

Die Kriminalpolizei hat jetzt einen ersten Tatverdächtigen ermittelt: Der 48-Jährige gehört zu den Männern, die am Freitagabend durch Schüsse verletzt wurden, wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte.

Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. Zu weiteren Beteiligten wird noch ermittelt. Bei den Angreifern soll es sich nach den bisherigen Erkenntnissen vermutlich um mehrere Männer handeln. Hintergrund soll nach Informationen des Tagesspiegels eine Familienfehde unter zwei türkisch-kurdischen Familien sein.

Bislang waren Ermittler eher davon ausgegangen, dass nur eine der beiden Gruppen geschossen hatte – am Tatort wurden zwei verschiedene Projektile gefunden. Dass auch einer der Tatverdächtigen verletzt ist, könnte nach Informationen des Tagesspiegel bedeuten, dass beide Gruppen bewaffnet waren und aufeinander geschossen haben.

Die Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht weiter äußern. Sie teilte aber mit, dass ein politischer oder terroristischer Hintergrund der Tat weiterhin ausgeschlossen wird.

Trauerfeier in Neukölln

Am Donnerstag wurde in Berlin bei einer Trauerfeier von Cüneyt F. Abschied genommen. Nach Informationen der „B.Z.“ könnte es sich bei ihm um einen Unbeteiligten handeln, der nur den Streit schlichten wollte. Bereits um zehn Uhr stehen Mannschaftswagen der Polizei vor der Neuköllner Sehitlik-Moschee.

Vor dem Gebäude am Columbiadamm warten Männer in dicken Daunenjacken und langen Mänteln. Die Luft riecht nach Zigarettenqualm. Einige rauchen, sie begrüßen sich mit Handschlag, Selâmün aleyküm, berühren sich Kopf an Kopf, rechts und links, und zünden sich gleich die nächste Zigarette an. Um 12.30 Uhr soll die Trauerfeier beginnen.

Ein Verwandter verteilt Fotos von Cüneyt F. vor der Neuköllner Sehitlik-Moschee.
Ein Verwandter verteilt Fotos von Cüneyt F. vor der Neuköllner Sehitlik-Moschee.

© Marvin Ku

Mehr als hundert Menschen sind gekommen. Ein Freund von Cüneyt F. sagt: „Er war sehr friedlich und höflich, er hat niemandem etwas getan.“ F. hatte ein Café in der Neuköllner Donaustraße und war Mitglied des Fußballclubs Besiktas Istanbul, ein Cousin trägt ein graues Trikot mit schwarzweißem Logo durch die Menge: Cüneyt Fs. Trikot.

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Aus einem Lautsprecher ertönen arabische Gesänge, Auszüge aus dem Koran. Durch den Torbogen laufen die Menschen zur Moschee, innen halten sie die Handflächen zum Himmel, sie murmeln: Gott ist groß.

Zwei Männer schieben einen Sarg hoch zur Moschee, Schwarze Plastikfolie umhüllt den Sarg, darauf liegt ein grünes Tuch, verziert mit goldenen Ornamenten und Fäden. An der Seite klebt ein weißer Zettel: Cüneyt F. Berlin – Istanbul. Eine Frau weint.

Cüneyt F. wird nach Istanbul überführt

Um 12:55 Uhr ist das Gebet vorbei. Die Menschen strömen hinaus auf die Straße, ziehen ihre Schals höher und die Mützen tiefer gegen den heranblasenden Wind. Es regnet. Vier Männer tragen den Sarg Richtung Straße und laden ihn in einen grauen Van. Einige Angehörigen bilden noch einen Halbkreis vor dem offenen Kofferraum, sie filmen und fotografieren den Sarg.

Von hier aus soll Cüneyt F. in die Türkei, nach Istanbul überführt werden, erzählt ein Cousin. Dort sollen schon mehr als 1000 Freunde und Verwandte warten. Irgendwann schließt einer die Klappe. Die Warnlichter des Autos blinken zwei Mal: abgeschlossen. Und dann fährt der Wagen in den Regen davon.

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