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Am Dienstag kam es zu gewalttätigen Tumulten vor der libyschen Botschaft in Berlin.

© Thomas Schröder

Nach Stichattacke in Botschaft: Libysche Kriegsversehrte in Berlin fordern Unterstützung

Der Stichattacke in der libyschen Botschaft gingen offenbar Streitigkeiten über fehlende Zahlungen voraus: Seit Wochen fordern Bürgerkriegsverletzte aus Libyen hier finanzielle Unterstützung für Operationen ein. Doch auch Botschaftsmitarbeiter toben.

„Wir haben alles für unser Land gegeben“, sagt Khalid Abubaker, „nun lassen sie uns hier draußen stehen.“ Der 32-jährige Libyer stützt sich auf eine Gehhilfe, sein rechtes Bein ist bandagiert. Vor ihm liegt die libysche Botschaft, eine blütenweiße Villa in Dahlem. Am Fahnenmast ist die neue Landesflagge gehisst, rot- schwarz-grün, mit einem weißen Halbmond in der Mitte. Sie ist das Symbol für das Leben nach Gaddafi. Auch Khalid Abubaker habe diese Flagge geschwenkt, er habe geholfen, die Hafenstadt Bengasi zu befreien. Nun wartet er auf eine Knieoperation.
„In Libyen reicht die Infrastruktur nicht, um mich zu behandeln“, sagt er. Die libysche Regierung habe ihn daher zuerst nach Griechenland geschickt, nun nach Deutschland. Das sei gängige Praxis: Auch in Italien und der Türkei warten libysche Kriegsversehrte auf Operationen. In Deutschland seien es um die 800 Patienten, sagt Khalid.
Doch seit einigen Wochen bleibe die finanzielle Unterstützung aus. Obwohl die libysche Regierung Unterstützung zusichere, hätten Botschaftsmitarbeiter die Gelder unterschlagen. Täglich versammeln sich daher die libyschen Veteranen, um die Operationen einzufordern. Am Dienstag kam es dabei zu einer Schlägerei zwischen Demonstranten und Botschaftsangestellten. Laut Polizeiangaben verletzte ein 34-jähriger Demonstrant einen Mitarbeiter mit einer Schere. Im darauf folgenden Gemenge sei es zu weiteren Verletzungen gekommen. Insgesamt wurden sieben Personen verletzt.
Die libyschen Demonstranten werfen den Polizisten nun unangemessene Gewalt vor: So sei einem Protestierer von einem Beamten das Handgelenk gebrochen worden. Ein weiterer sei am Arm verletzt worden. Die Polizei sagte zu den Vorwürfen, dass zwei Libyer verletzt wurden, als sie starken Widerstand geleistet und sich vor einem Einsatzwagen positioniert hatten. Genauere Angaben zu den Verletzungen machte die Polizei nicht. Ob Beamte wegen Körperverletzung im Amt angezeigt worden sind, sei bislang nicht bekannt.
Von Seiten der Botschaft gibt es weder zu dem Zwischenfall noch zu den Vorwürfen der Unterschlagung offizielle Stellungnahmen. Ein langjähriger Botschaftsmitarbeiter äußerte sich gegenüber dem Tagesspiegel jedoch kritisch, was das Arbeitsklima im Haus angehe: die nach dem Regierungswechsel eingesetzten Beamten seien „zu dumm, auch nur einen Antrag abzustempeln“. Fast die gesamte Belegschaft sei nach dem Sturze Gaddafis erneuert worden. Nun würden Vorgänge nur sehr schleppend bearbeitet.
Das bestätigen auch die Wartenden vor der Botschaft. Gut 30 Menschen hatten sich auch gestern versammelt. Khalid Abubaker zeigt seine Unterlagen: mehrere arabische Genehmigungen vom Madschlis, dem Regierungssitz in Tripolis, dazu Gutachten von Krankenhäusern. „Doch das interessiert in der Botschaft niemanden“, empört er sich. Stattdessen stehe nun noch mehr Polizei als sonst vor der weißen Villa. „Wir kommen jeden Tag hierher“, ruft einer der Demonstranten auf Arabisch, „bis es irgendwann Geld gibt“.

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