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Neonazis vor Gericht: Judenhass im Internet

80 Minuten braune Hardcore-Texte: Die Betreiber eines Neonazi-Online-Radios stehen in Moabit vor Gericht.

Von Frank Jansen

Dieser Prozess taugt zur Geschichtsstunde über Rechtsextremismus in Deutschland. Kurz geschorene Angeklagte in schwarzer Kleidung grinsen den „Kameraden“ im Publikum zu. Da sitzt ein Trupp Neonazis, darunter ehemalige Mitglieder der kürzlich von Innensenator Erhart Körting (SPD) verbotenen Kameradschaft „Frontbann 24“. In diesem Klima trägt der Staatsanwalt der Staatsschutzkammer des Landgerichts einen voluminösen Anklagesatz vor. Reiner Pützhoven verliest fast 80 Minuten braune Hardcore-Texte. Selbst die Gesichter der Anwälte versteinern. Der Auftakt im Prozess gegen fünf Männer und zwei Frauen, die im Internet das „European Brotherhood Radio (EBR)“ betrieben haben sollen, ist abstoßend.

In den Saal 806 im Kriminalgericht Moabit regnen am Montag Satzfetzen wie „Synagogen brennen“, „Rassenschande“, „alle liquidieren“, „Deutschland erwache“, „Happy Holocaust“. Und Schlimmeres. Pützhoven referiert Tiraden gegen Juden, Türken, Dunkelhäutige, Schwule, Demokraten, Linke, Punks, Sinti und Roma. Obszönitäten mischen sich mit Aufrufen zum Massenmord und Jubelarien für Adolf Hitler. Nach einer Stunde atmet der Staatsanwalt durch, dann liest er weiter.

Die Liste der Vorwürfe gegen Sandra F. (31), Daniel W. (24), Oliver P. (28), Jenny B. (20), Thomas B. (23), René R. (36) und Frank M. (30) ist lang. Im Mittelpunkt stehen die Punkte Mitgliedschaft oder zumindest Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung sowie Anleitung zum Bau von Bomben. Auf der Homepage des EBR gab es eine Unterseite mit Basteltipps. Sie soll von Angeklagten, die den Radio-Stream moderierten, beworben worden sein. Zwischen „Sieg Heil“-Rufen und Songs von Bands wie „Arische Wut“, „Zillertaler Türkenjäger“ und „Landser“.

Im März 2009 hatte das Landeskriminalamt sechs der sieben Angeklagten in Berlin und außerhalb festgenommen. Bei Sandra F. stellte sich heraus, dass sie als V-Frau für den niedersächsischen Verfassungsschutz tätig war. Ihr Anwalt sagt in einer Pause, F. habe sich „in einem Verbotsirrtum befunden“ und an staatliche Rückendeckung geglaubt. Doch das bestreitet der Verfassungsschutz.

Sandra F. und vier weitere Angeklagte können auf Milde hoffen. Der Vorsitzende Richter, Olaf Arnoldi, verkündet nach einem Rechtsgespräch mit den Anwälten, bei einem glaubwürdigen Geständnis kämen Bewährungsstrafen infrage. Gestehen wollen alle Angeklagten, Frank M. fängt an. Ja, er sei einer der Mitgründer des Radios gewesen, er habe einen Server in den USA besorgt und ihn im März im Beisein der Polizei abgeschaltet, sagt er. Das könnte „eventuell strafmildernd“ sein, hätten die Beamten gemeint. Und M. hatte schon früh das Gefühl, der eine oder andere Musiktitel „war strafrechtlich relevant“. Frank Jansen

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