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Der Eingang zum U-Bahnhof Schönleinstraße in Kreuzberg.

© Paul Zinken/dpa

Update

Obdachloser im U-Bahnhof angezündet: Polizei fahndet mit Fotos nach sieben jungen Männern

Die Polizei hat Fotos und ein Video der Tatverdächtigen veröffentlicht, die im U-Bahnhof Schönleinstraße versucht haben sollen, einen Obdachlosen anzuzünden. Zeugen hatten das Opfer gerettet.

Überraschend schnell, nämlich schon einen Tag nach der brutalen Gewalttat im U-Bahnhof Schönleinstraße hat die Polizei Fotos und ein Video der sieben Tatverdächtigen veröffentlicht. Diese waren anschließend mit einer U-Bahn geflüchtet - fröhlich feixend, wie auf dem Video zu sehen ist. Die Polizei wirft ihnen versuchten Mord vor.

Die abscheuliche Tat blieb zum Glück ohne gravierende Folgen: Wie die Polizei berichtete, war es dem sofortigen und beherzten Eingreifen mehrerer Zeugen zu verdanken, dass ein Obdachloser in der Weihnachtsnacht körperlich unverletzt geblieben ist.

Die sieben Unbekannten haben gegen zwei Uhr früh am Sonntag Kleidungsstücke eines schlafenden Obdachlosen auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs Schönleinstraße angezündet. Die Station liegt auf der Linie U8 an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln.

Die Passanten löschten sofort die Flammen an dem Papier, mit dem sich der 37-Jährige offenbar zugedeckt hatte. Der offensichtlich alkoholisierte Obdachlose blieb dadurch glücklicherweise unversehrt. Die Habseligkeiten des Mannes hätten aber gebrannt, sagte ein Polizeisprecher. Auch ein U-Bahnfahrer, der das Geschehen beobachtet hatte, war mit einem Feuerlöscher hinzugeeilt. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur war der Obdachlose zu diesem Zeitpunkt jedoch schon gerettet. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen wegen versuchten Mordes übernommen.

„In diesen Tagen sollten wir Nächstenliebe erwarten. Stattdessen erleben wir Menschenverachtung“, sagte Innensenator Andreas Geisel am Sonntag. „Ich bin entsetzt und danke allen, die beherzt geholfen haben. Das ist wahre Mitmenschlichkeit.“ Erst kürzlich hatte der Fall eines U-Bahn-Treters in Berlin bundesweit Empörung ausgelöst. Ein Mann hatte einer Frau unvermittelt auf einer Treppe in den Rücken getreten - die Frau stürzte und brach sich einen Arm. Der Tatverdächtige wurde inzwischen gefasst. Die Polizei hatte Kritik auf sich gezogen, weil sie erst nach mehreren Wochen mit Videobildern nach dem Täter suchte. Auch der U-Bahnhof Schönleinstraße wird mit Videokameras überwacht.

BVG: Zahl der Gewalttaten ist rückläufig

„Solche Gewaltvorfälle häufen sich nicht“, betonte Petra Reetz, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), am Sonntag. Die BVG habe 2011 einen Höhepunkt mit 880 Gewalttaten gegen Menschen registriert. Seitdem seien die Zahlen stark zurückgegangen - 2015 seien es 484 Gewalttaten gewesen. „Es spricht sich herum, dass die Bahnhöfe videoüberwacht sind“, sagte Reetz. Es komme oft nur zu Taten im Affekt.

Angriffe auf Berliner Obdachlose hätten nicht zugenommen, sagte Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission, die in der Hauptstadt vielen Menschen auf der Straße hilft. „Was passiert ist, tut mir sehr leid. Aber aus meiner Sicht häuft sich das nicht.“ Im vergangenen Jahr hatte ein betrunkenes Pärchen in Wedding den Schlafsack eines ebenfalls betrunkenen Obdachlosen angezündet. Auch in diesem Fall hatte eine Mordkommission wegen eines versuchten Tötungsdelikts ermittelt.

Mitte November dieses Jahres hatten Polizisten nicht weit vom Kölner Hauptbahnhof in einer Unterführung einen Obdachlosen mit brennender Kleidung entdeckt. Die Obduktion ergab, dass der 29-Jährige Opfer einer Gewalttat war. Ob er durch das Feuer starb oder schon vorher umgebracht worden war, blieb unklar.

Obdachlosigkeit in Berlin zunehmendes Problem

In Berlin haben Tausende Menschen keine Wohnung. Die genaue Zahl ist unbekannt - geschätzt wird sie je nach Quelle und Definition auf 3000 bis 10.000. Experten gehen von zunehmender Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Hauptstadt aus. Die Berliner Kältehilfe bietet in diesem Winter rund 700 Schlafplätze.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) öffnen im Winter nachts traditionell einige U-Bahnhöfe für Schutz- und Wärmesuchende. In der Weihnachtsnacht war am U-Bahnhof Schönleinstraße aber regulär Betrieb. Die Züge fahren während der Feiertage rund um die Uhr. (Tsp, dpa)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der Obdachlose die Gefahr zunächst selbst bemerkt und seinen Schlafplatz verlassen hätte. Diese Darstellung wurde von der Agentur inzwischen wieder zurückgezogen.

Die obdachlosen Polen vom Ostbahnhof: Lesen Sie hier eine Reportage von Hannes Heine über Arbeitsmigranten in Berlin.

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