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Nächtlicher Abenteuerspielplatz. Der Mauerpark wird zum Treffpunkt vieler Jugendlicher. Die partyähnlichen Treffen werden oft auch im Internet angekündigt. Dazu kommt ein Laufpublikum, dem die Szenebars in Prenzlauer Berg zu teuer sind. Foto: David Heerde

© David Heerde

Prenzlauer Berg: Heiße Party im Mauerpark

An den Wochenenden feiern Jugendliche im Mauerpark. Prügeleien gehören dazu. Oft greift die Polizei ein, seit Jahresbeginn wurden schon mehr als 200 Anzeigen geschrieben.

Fäuste prasseln auf den Jungen im Kapuzenpullover ein. Nach elf, zwölf Schlägen geht er zu Boden, einer der drei Angreifer tritt ihm gegen den Kopf. Aus einem Riss an der rechten Augenbraue fließt Blut. Die jugendlichen Schläger rennen in die Dunkelheit zurück, aus der sie den Jungen – „wegen seiner großen Fresse“ – rausgeprügelt hatten. Willkommen im Mauerpark, Südseite, Eberswalder Straße, in der Nacht zum Sonntag.

Aggressive Sprayer, vereinzelt ein paar friedliche Punks, dazu viele Einwandererkinder im Stimmbruch hängen schon auf dem nicht mehr grünen Rasen rum, als die Sonne noch scheint. Die meisten kommen aus den Weddinger Mietsvierteln die Straße runter. Einige kaufen Hasch bei den Dealern, die am Hang des Jahnstadions auf Kunden warten. Andere pfeifen Mädchen hinterher. Später lodern Lagerfeuer, Bierflaschen werden weitergereicht. Immer wieder fallen einzelne Cliquen übereinander her, bis Blut fließt. Dennoch scheinen sich hier alle wohlzufühlen, ein Spielplatz für hunderte rauflustige Teenager. Und als ein gemeinsamer Gegner mit Scheinwerferlicht vorfährt, eint das die zersplitterte Parkjugend: Ein paar uniformierte Beamte lenken ihre Polizeiautos vorsichtig im Schritttempo durch das zehn Hektar große, stockdunkle Gelände.

Nun werden Mülleimer auf den Fahrweg gezogen, von den Hängen rufen 14-Jährige: „Verpisst euch!“ Die Teenager haben Flaschen in der Hand. Im Mauerpark kümmern sich die feierlustigen Schüler nicht um die Vorschriften: kein Müll, kein Lärm, kein offenes Feuer. „Eigentlich müssten wir das durchsetzen, drücken aber permanent beide Augen zu“, sagt ein Polizeibeamter. Er kommt aus der nur einen Bierflaschenwurf entfernten Wache in der Eberswalder Straße des 15. Abschnitts. Dort ist man für den dunklen Park zuständig, der wegen des jugendlichen Grölens aber trotz fehlender Laternen sehr lebendig wirkt. „Gegen diese Horden möchte ich nicht mit einer Handvoll Kollegen angehen“, sagt der Polizist.

Rund um den Mauerpark wurden seit Jahresbeginn 200 Anzeigen erstattet: Körperverletzung, Raub, Bedrohung, Sachbeschädigung, Drogen. Aus dem Polizeipräsidium im fernen Tempelhof heißt es diplomatisch: „Der Mauerpark wird regelmäßig, tagsüber und nachts, bestreift. Die Zahl der eingesetzten Beamten wird situationsbedingt angepasst.“ Was „situationsbedingt“ bedeuten kann, zeigte sich am deutlichsten vor einer Woche. Eine ganze Hundertschaft musste anrückten: Mehr als 1500 junge Leute hatten sich im Park versammelt – Lagerfeuer, Bierkästen, Schlägereien inklusive. Flaschen flogen, Festnahmen folgten. An diesem Wochenende bleibt es meist bei Platzverweisen, die drei in die Dunkelheit geflohenen Schläger werden nicht gefasst.

Die partyähnlichen Treffen werden auch im Internet angekündigt. Dazu kommt ein junges Laufpublikum, dem in den Szenebars in Prenzlauer Berg und Mitte keine Cocktails serviert werden, weil es zu jung ist – und zu wenig Geld hat. Im Mauerpark feiern Jugendliche unter freiem Himmel. Kein Eintritt, keine Türsteher, kein Dresscode. Das Phänomen ist nicht nur auf den Mauerpark beschränkt. Ähnliche Szenen spielen sich etwa auch in der Hasenheide ab, wo es in der Nacht zu Sonntag ebenfalls Zoff gab, als die Polizei eine Musikanlage beschlagnahmen wollte. Sozialwissenschaftler wundert nicht, dass viele Jugendliche keine Lust auf die von zahlungskräftigen Touristen bevölkerten Clubs der Stadt haben.

„Für die Bullen ist das hier im Mauerpark eine blöde Lage. Die können nicht genau einschätzen, mit wie vielen Leuten sie es zu tun haben“, sagt ein zu später Stunde unerwartet eloquenter Jüngling, der sich Leo nennt. Mit Basecap und Trainingsjacke steht Leo mitten im Park und lässt seinen Blick wie ein Indianerscout über das Areal schweifen. Er möge „die Action“ hier. Sich selbst beschreibt er als unpolitisch, den Bau von Luxuswohnungen auf dem Gelände lehne er aber ab. „Der Mauerpark gehört allen“, sagt der 17-Jährige. Eine Anwohnerinitiative hatte monatelang protestiert: Hätten die edlen Hochgeschosser entstehen dürfen, wäre der Park nur noch ein Schatten seiner selbst.

Gerade die Südseite des Parks an der Eberswalder Straße zog in der Vergangenheit vor dem 1. Mai protestierende Linke an. Unbekannte zerstachen schon mal die Reifen parkender Polizeiautos vor der Wache. Mit Politik hätten die jugendliche Massenaufläufe in den Abendstunden aber nichts zu tun, sagt der Polizist von Abschnitt 15 – und führt gut informiert aus: Der Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung Mitte habe beschlossen, mitten im Park seien keine Wohnblöcke hochzuziehen, nur am Nord- und Südende dürfen Investoren bauen. „Na also, bleibt doch ein richtiger Volkspark“, sagt der Beamte, der nicht verraten will, ob er aus dem Osten oder Westen der Stadt stammt. „Die Bengel, die hier am Wochenende Randale machen, sollten mal friedlich bleiben und froh sein, dass sie hier Platz haben.“

Leo mit dem Basecap ist tatsächlich froh. Vermutlich auch stellvertretend für die schon betrunkenen Halbstarken ein paar Meter weiter. „Aber die Bullen freuen sich doch auch, wenn die Leute hier rumhängen und nicht vor den teuren Touristenclubs.“ Hannes Heine

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