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Prozess: Das doppelte Geständnis

Eine Ehefrau stach zweimal auf ihren Mann ein. Im Prozess nahmen beide die Schuld auf sich.

Das Leben spielte sich zwischen Trennung und Versöhnung ab. „Wenn er dann so überzeugend redete, saß ich da und dachte, dass ich ihm doch noch eine Chance geben müsste“, sagte die Frau gestern vor Gericht. Sie verzieh ihm Affären und Demütigungen. „Es war klar, dass sie irgendwann zusammenbrechen würde“, gab der Mann zu – und legte eine Beichte ab: „Es ist meine Schuld.“ Er aber ist das Opfer, sie steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.

Marina K., eine 48-jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern, ist am 28. Dezember 2007 mit einem Küchenmesser auf ihren Mann losgegangen. Die Hellersdorferin habe dem überraschten Opfer im Wohnungsflur zweimal in den Rücken gestochen, hieß es in der Anklage. Die Stiche waren sechs und neun Zentimeter tief. „Sie konnte ihr Tötungsvorhaben nicht vollenden, da nach dem zweiten Stich der Griff des Messers abbrach und die Klinge im Rücken stecken blieb“, sagt der Staatsanwalt.

Die S-Bahn-Angestellte und der vier Jahre jüngere Bernd K. lebten sei 16 Jahren zusammen. Am Anfang sei es schwierig gewesen, sagt sie, damals bereits zweifache Mutter. Sie sei manchmal unfair zu ihm gewesen. „Vielleicht, weil ich in der ersten Ehe gedemütigt wurde.“ Doch dann entwickelte sich eine harmonische Beziehung, vor achteinhalb Jahren heirateten beide. „Nach seinem 40. Geburtstag aber wurde alles schlagartig anders.“

Bernd K. saß nicht im Saal, als seine Frau über seine Seitensprünge und seinen wachsenden Alkoholkonsum sprach. Doch widersprochen hätte er vermutlich nicht. „Als ich 40 Jahre alt wurde, bekam ich eine Midlife-Crisis“, sagte er als Zeuge. „Ich habe meine Frau sehr vernachlässigt, fing an zu trinken, guckte nach anderen Frauen.“ Er habe sich lange nicht entscheiden können. Durch das ständige Hin und Her habe er seiner Frau „das Leben zur Hölle gemacht“.

Der Lagerarbeiter fing sogar eine Affäre mit einer Arbeitskollegin seiner Frau an. „Alle wussten es, nur ich habe es nicht bemerkt“, sagte die Angeklagte. Doch wenig später bat er um Vergebung, versicherte: „Ich kann ohne dich nicht leben.“ Sie knickte ein, musste aber bald wieder feststellen, dass nur „alles gelogen“ war. Nachdem er sogar schwärmend Fotos seiner Neuen auf den Tisch gelegt hatte, wollte sich seine Frau im Sommer das Leben nehmen. Danach kehrte er zurück, baute ihr einen Kamin…

…und ging wieder fremd. Wochenlang lebte er im Herbst bei einer anderen, Weihnachten stand er wieder vor der Tür seiner Familie. Als sie ein paar Tage später eine Liebesbotschaft an ihre Rivalin entdeckte, wirkte sie nur noch apathisch. Die Attacke kam völlig überraschend, als ihr Mann auf dem Weg zur Wohnungstür war. „Da war einfach nur noch Leere“, sagte die Angeklagte. „Ich habe ihr schon lange verziehen“, beteuerte das Opfer. Der Prozess wird morgen fortgesetzt. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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