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Der Angeklagte hätte den Verein "Hatun & Can" als "Selbstbedienungsladen" benutzt, so der Richter.

© dpa

Prozess: "Hatun und Can"-Chef zu knapp fünf Jahren Gefängnis verurteilt

Nach dem Mord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü hatte Udo D. den Verein "Hatun und Can" gegründet. Doch statt Frauen in Not zu helfen bereicherte er sich selbst. Wegen Betrugs wurde er nun verurteilt.

Kein Helfer für Frauen in Not war Udo D., sondern ein Betrüger. So urteilte das Landgericht nach knapp einjährigem Prozess. Der Verein „Hatun und Can“, den er nach dem Ehrenmord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü gegründet hat, sei „die Luftnummer, der Selbstbedienungsladen des Herrn D.“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Für vier Jahre und zehn Monate soll der Chef des Vereins ins Gefängnis. Das entsprach dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger hatten dagegen Freispruch verlangt.

Von Anfang an setzte Udo D., ein Hartz-IV-Empfänger aus Neukölln, aus Sicht des Gerichts auf Betrug. Der gelernte Steuerfachgehilfe habe zuvor oft wie ein Patron in einer Kneipe gesessen und sich in der Rolle eines Tippgebers bei Problemen mit Ämtern wohl gefühlt. Um an Geld zu kommen, sei ihm die Idee mit einem Verein gekommen. „Er nahm den Zeitgeist auf, gab vor, anderen Menschen zu helfen“, sagte Richter Henning Schwengers. D. habe zunächst viel behauptet. Als er den Status der Gemeinnützigkeit bekam, sei das der Adelsschlag gewesen, um an Spenden zu kommen, „die er für sich verwandte“, sagte der Richter.  

Der 42-jährige Udo D., der sich selbst zum Vereinschef ernannt hatte, rührte die Werbetrommel kräftig. Über 1000 Hilfeanfragen seien allein 2008 eingegangen, man habe 25 ehrenamtliche Mitarbeiter, könne auch Ärzte und Rechtsanwälte hinzuziehen. Auch Alice Schwarzer öffnete nicht nur ihr Herz: Eine Million Euro, die die „Emma“-Chefredakteurin bei der der RTL-Show „Wer wird Millionär?“ gewonnen hatte, spendete sie.  

Hunderte Frauen fanden Hilfe? Keinesfalls, urteilte das Gericht. „Eine Handvoll, mehr waren es nicht“, sagte der Richter. Opfer seien häufig an andere Vereine wie den Weißen Ring vermittelt worden. „Es gab kein Büro, keine Buchführung, nur ein Konto und zwei EC-Karten.“ Etliche Zeugen seien vernommen, Belege geprüft worden. „Wir haben uns zum Teil gequält herauszufinden, was der Verein gemacht hat“, sagte Schwengers. Viel sei es nicht gewesen. Bereits 2007 seien mehr als 52 000 Euro an eingegangen, aber nur 13 500 Euro für von Gewalt bedrohte Frauen ausgegeben worden.

Udo D. soll laut Ermittlungen zwischen 2007 und seiner Festnahme im März 2010 rund 700 000 Euro erschlichen und teilweise für sich verwendet haben – unter anderem für eine Reise und einen 63 500 Euro teuren BMW X6, den er privat genutzt haben. Mit etwa 380 000 Euro konnte ein Großteil des Geldes von der Polizei sichergestellt werden. Die Vorwürfe bestritt Udo D. vehement. Sein Anwalt empörte sich: „Hier von Betrug zu reden, das ist doch aberwitzig!“

Für Verteidiger Hubert Dreyling fehlen die Beweise. „Er hat nicht in Luxus, sondern erbärmlich gelebt, keine Gelder für sich verbraucht.“ Die Zeugen, die seinen Mandanten belastet hatten, seien „schäbige Lügner“. Es seien sämtlich Bekannte aus seinem Umfeld gewesen, die er als Helfer angeheuert habe. Ihnen habe Udo D. acht bis zehn Euro die Stunde gezahlt, sie demnach mit 500 bis 1000 Euro im Monat entlohnt. „Diese Leute haben Hartz IV bezogen, die Einnahmen deshalb nicht angegeben.“ Das sei für diese Zeugen „Motiv fürs Lügen“ gewesen. Als Udo D. das Urteil hörte, versteinerte sich das Lächeln, das er während des gesamten Prozesses aufgesetzt hatte.

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