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Wachmann-Mord

© ddp

Reinickendorf: Entsetzen nach dem Mord am Wachmann

Ein Wachmann getötet, drei weitere Verletzte - nach dem Überfall auf einen Supermarkt in Konradshöhe sind die Anwohner geschockt. Ein Tatverdächtiger wurde in der Nähe des Tatorts gefasst.

Die Kunden, die am Samstagvormittag noch nichts von dem tödlichen Raubüberfall mitbekommen hatten, erfuhren es durch ein Schild vor der Reichelt-Filiale am Konradshöher Falkenplatz: „Aus technischen Gründen bleibt das Geschäft vorerst geschlossen.“ Irgendjemand hatte die Aufschrift später präzisiert: „Aus menschlichen Gründen.“ Nur wenige Schritte daneben, vor einer Mülltonne, hatten Anwohner Blumen, Tannenzweige, auch Plüschtiere niedergelegt, Kerzen angezündet und an dem Behälter ebenfalls ein Schild befestigt: „Wir Konradshöher trauern um den jungen Mann vom Sicherheitsdienst, der hier gestern Abend brutal ums Leben kam.“ Erst um 14.30 Uhr öffnete der Berliner Vertriebsleiter der Supermarktkette die Filiale wieder. Man wolle offensiv mit dem Überfall umgehen, dazu hätten auch die zur Betreuung der Mitarbeiter eingesetzten Psychologen geraten.

Es ist der 20-jährige Sicherheitsbedienstete Ugur U., der am späten Freitagabend von einem Räuber in der Reichelt-Filiale im Reinickendorfer Ortsteil Konradshöhe erstochen wurde. Kurz nach Ladenschluss um 22 Uhr war der Täter mit mehreren Waffen – darunter einem Messer – in den Supermarkt eingedrungen. Dort bedrohte er einen Kassierer, den Filialleiter sowie den Wachmann Ugur U. Was dann geschah, ist noch unklar. Nach ersten Erkenntnissen soll Ugur U. versucht haben, gegen den Eindringling vorzugehen. Die Situation eskalierte. Der Täter wehrte sich, Ugur U. erlitt dabei so schwere Stichverletzungen, dass er wenig später starb. Auch der 45-jährige Filialleiter Frank U. wurde offenbar bei dem Versuch, den Räuber festzuhalten, schwer verletzt, schwebt aber nicht in Lebensgefahr. Der Kassierer erlitt leichte Verletzungen.

Der Täter, der beim Kampf am Oberkörper verletzt wurde, flüchtete. Kurze Zeit später konnten Streifenpolizisten den mutmaßlichen Räuber, einen 22-Jährigen, in der Nähe festnehmen. Der Deutsche, der nicht aus Reinickendorf kommen soll, war der Polizei nicht bekannt. Währenddessen hatte ein Spezialeinsatzkommando zur Sicherheit den Supermarkt nach möglichen Komplizen durchsucht. Am Samstagabend erließ ein Ermittlungsrichter gegen den 22-Jährigen Haftbefehl wegen Mordes und versuchten schweren Raubes mit Todesfolge.

Auch Ali U., der Bruder des Getöteten, fuhr gestern Nachmittag zur Filiale, „um sich ein Bild von dem Tatort zu machen“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Den Wachschutz-Job habe Ugur nur aushilfsweise vier Stunden täglich gemacht. Eigentlich sei er Berufsschüler gewesen, wollte Friseur werden. Ugur habe sich etwas Geld dazuverdient – der Vater und ein anderer Bruder starben vor mehreren Jahren, die Mutter arbeitet als Putzfrau.

„War das der dunkelhaarige junge Mann, der hier öfter stand?“ Das fragten sich Stammkunden, die sich am Nachmittag immer wieder zu kleinen Gruppen zusammenfanden und über die Tat sprachen. Das Schicksal des jungen Mannes erschütterte sie, eine Frau brach in Tränen aus, nachdem sie Blumen niedergelegt hatte: „In welcher Welt leben wir denn?“ Geschockt waren viele, weil sich die Tat nicht in fernen Problembezirken, sondern vor ihrer Haustür ereignet hatte. „Wir dachten, wir leben in einer friedlichen, gutbürgerlichen Ecke“, sagte Ute Schöder, die mit ihrem Mann ebenfalls Blumen niedergelegt hatte. Mal eine Prügelei zwischen Jugendlichen und Polizisten, mehr sei bisher nicht vorgefallen. Aber müssen die großen Ketten wirklich bis 22 Uhr öffnen? Die Frage beschäftigte in Konradshöhe viele Menschen, während sie auf die flackernden Kerzen blickten. Um 22 Uhr sind die Straßen hier leer, und das Risiko eines Überfalls erhöht sich.

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