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Reinickendorf: Supermarkt-Mörder ließ dem Wachmann keine Chance

Am Donnerstag begann der Prozess gegen den Ex-Mitarbeiter, der bei einem Überfall auf seinen ehemaligen Arbeitsplatz einen Wachmann tötete und zwei Angestellte schwer verletzte. Die Kollegen kannten ihn als netten jungen Mann.

Es gab keinerlei Anzeichen für eine Gefahr. Der 20 Jahre alte Wachmann Ugur U. wollte einem früheren Mitarbeiter des Supermarktes, der sich gerade freundlich verabschiedet und seinen Ex-Kollegen frohe Weihnachten gewünscht hatte, nur die Tür aufschließen. Da zog Marico T. ein Messer. Von hinten griff er an, schnitt dem Wachmann die Kehle durch, ging dann auf den Filialleiter und einen Kassierer los. Knapp eine Stunde wütete der Täter - den hier alle als netten Kollegen kannten.

Mord, Mordversuch, versuchter Raub. Seit gestern muss sich Marico T. den Vorwürfen stellen. Der eher schmächtige Mann von 22 Jahren bot ein Bild des Jammers. Schluchzend und mit gesenktem Kopf saß er auf der Anklagebank. Er wagte nur einen kurzen Blick in Richtung der Zuhörer. Viele Familienangehörige und Freunde des getöteten Wachmannes waren gekommen. "Ugur hatte keine Chance, der Mörder tötete ihn hinterhältig", sagte der 23-jährige Bruder Ali-Murat U., der Nebenkläger ist.

Es war der 21. Dezember 2007, als gegen 21.15 Uhr Marico T. die Reichelt-Filiale in Konradshöhe betrat. Dort hatte er von Juli bis Oktober über eine Leiharbeitsfirma als Kassierer gearbeitet. Er sagte seinen Ex-Kollegen, dass er zwei Babyflaschen vergessen haben müsse, tat so, als ob er suchte. In seinem Hosenbund aber steckten Gaspistole und Messer. Aus Sicht der Ermittler hatte er einen Überfall geplant. "Als er aber im Markt ankam, brachte er es zunächst nicht übers Herz", vermutete Ankläger Reinhard Albers.

Der Markt war bereits geschlossen, als der Besuch gegen 22 Uhr zur Tür gebracht wurde. Er stach auf den völlig überraschten Wachmann ein. Doch Ugur U. konnte trotz der schweren Verletzung noch reagieren. Staatsanwalt Albers: "Daraufhin muss der völlig entsetzte Angeklagte wild auf den Wachmann eingestochen und eingeschlagen haben." Der Wachmann schaffte es trotzdem bis zum Büroraum im Keller. Dort zählten Filialleiter Frank U. (45) und ein Kassierer (24) die Tageseinnahmen. Auch sie versuchten, sich zur Wehr zu setzen. "Der Angeklagte ging wieder sofort mit äußerster Aggressivität vor", sagte Albers am Rande des Prozesses. T. habe geschossen, getreten, auch Frank U. den Hals aufgeschlitzt. Es bestand Lebensgefahr. Dem Kassierer war schließlich die Flucht aus dem Markt gelungen. Ugur U. starb gegen 22.50 Uhr. Kurz darauf wurde T. festgenommen.

"So ein krasses Missverhältnis zwischen einem Übermaß fürchterlichster Gewaltanwendung und einem Täter, der von allen als nett, freundlich, kinderlieb, fürsorglich geschildert wird, habe ich noch nicht erlebt", sagte Albers. Marico T. soll gegenüber der Polizei Schulden als Motiv genannt haben. Rund 5000 Euro sollen es gewesen sein. "Der Angeklagte war ganz weit davon entfernt, ruiniert zu sein", sagte der Staatsanwalt. T. hatte einen Job und verkaufte nebenbei Versicherungen. Er fühlte sich für seine Freundin und deren Sohn verantwortlich. Was zu dem Blutbad führte, kann möglicherweise der Gutachter erklären.

Hilfsbereit, strebsam, fürsorglich - so wird auch Ugur U. beschrieben. Der Job als Wachmann war nur für den Übergang. Er sei ohne Ausbildung eingesetzt worden, kritisierte der Bruder. Arbeitsbedingungen im Sicherheitsdienst seien zu prüfen, verlangte er. Am Donnerstag wird die Aussage des Angeklagten erwartet.

Kerstin Gehrke

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