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Allein gelassen. Nicht nur im Winter, auch im Sommer kann das Leben auf der Straße zur Tortur werden.

© Mauritius Images

Rekordsommer in Berlin: Wie Obdachlose der Hitze ausgeliefert sind

Obdachlose leiden besonders unter den hohen Temperaturen, sie haben kaum Rückzugsmöglichkeiten. Der Senat schickt einen Wasserbus; doch auch Berliner können helfen.

Sie macht uns allen zu schaffen: die Hitze. Obdachlose fallen im Sommer im Stadtbild zwar weniger auf als im Winter, wenn sie Zuflucht vor der Kälte in den Bahnhöfen und Zügen von BVG und S-Bahn suchen. Aber auch jetzt ist das Leben auf der Straße besonders hart: Bei den heißen Temperaturen können sich die Menschen kaum in klimatisierte Räume zurückziehen und müssen stattdessen mit dem kaum Linderung bringenden Schatten unter Bäumen vorliebnehmen. Hinzu kommt der erhöhte Durst.

Was Passanten tun können, um ihnen eine kleine Abkühlung zu ermöglichen, weiß Friederike vom Verein Berliner Obdachlosenhilfe: „Statt der Person einfach Geld zu geben, wäre es schön, ihr etwas Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu fragen, was sie gerade benötigt“, sagt sie. Die einen würden sich sehr über ein Eis freuen, die anderen interessierten sich eher dafür, wie sie ihren Hunger stillen können oder nicht dehydrieren.

„Wenn man zum Bäcker geht, kann man doch einfach ein zweites Baguette mitnehmen“, schlägt Friederike vor. Die Arbeit der Obdachlosenhilfe im Sommer unterscheide sich nicht groß von der im Winter. Die Ehrenamtlichen verteilen Kleidung, Lebensmittel und Getränke.

Auch Obstsalat oder ein Shake aus Bananen – die sehr häufig gespendet werden – und Milch würden gern angenommen. Und wenn noch etwas Geld übrig ist, „tun wir den Menschen gern noch etwas Gutes“, sagt sie weiter, zum Beispiel eben mit einem leckeren Eis.

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Außerdem sei es sinnvoll, zu Hause zu schauen, welche Kopfbedeckung man selbst nicht mehr trägt und sie anschließend entweder eigenhändig zu verteilen oder zu spenden. Auf der Spenden-Webseite der Berliner Obdachlosenhilfe ist ein Link zu einer Bedarfsliste hinterlegt, unter dem aktuell dringend benötigte Dinge zu finden sind.

Derzeit sind das vor allem Regenjacken, T-Shirts, Socken, Sportschuhe, Deo und Rasierer. Auch die SPD–Abgeordnete und Sprecherin für Soziales, Ülker Radziwill, ruft zu Solidarität auf: „Ich freue mich, wenn möglichst viele Berlinerinnen und Berliner eine Flasche Wasser mehr kaufen, um diese einem Obdachlosen zu schenken“, schreibt sie in einer Pressemitteilung.

Wasserbus in den Mittagsstunden

Wasser bekommen Bedürftige ab heute auch aus einem Bus, der bis Sonntag in den Mittagsstunden in der Stadt unterwegs sein wird. Das vom Senat eingesetzte Fahrzeug werde auf der Straße lebende Menschen mit Wasserflaschen und Sonnencreme versorgen, teilte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am Donnerstag mit.

Auch die Berliner Stadtmission ist im Einsatz: „Unsere mobile Ambulanz hilft Wohnungslosen, die bereits zu lange der Sonnenstrahlung ausgesetzt waren oder sogar verletzt sind“, berichtet Sprecherin Ortrud Wohlwend. Hinweise aus der Bevölkerung werden unter ambulanz@berliner-stadtmission.de entgegengenommen.

Seit dem Winter 2015 können Bedürftige zudem das deutschlandweit einzigartige Hygienezentrum an der Bahnhofsmission am Zoologischen Garten nutzen. Dafür wurden ehemalige Personalräume der Deutschen Bahn zu Toiletten- und Duschräumen umgebaut. Bis zu 30 Minuten darf hier kostenlos geduscht werden. Das Zentrum hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

„Wir kennen die Zahlen der Kältetoten jedes Jahr, aber Hitzetote werden nicht erfasst“, gibt Jürgen Mark, Leiter der ganzjährigen Notunterkunft in der Franklinstraße 27a, zu bedenken. Dort können insgesamt 73 Obdachlose bleiben, so lange es nötig ist. Viele würden aber im Sommer lieber auf Parkbänken übernachten, weil sie dort Alkohol konsumieren dürfen. Sein Tipp: „Naturalien statt Geld anbieten. Obst braucht jeder und mag jeder.“

Julia Heine

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