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Mordete der russische Staat in Deutschland? Ein Polizeibeamter sichert den Tatort im Kleinen Tiergarten.

© Christoph Soeder/dpa

Russischen Staatsfeind getötet?: Zeuge identifiziert Angeklagten im Prozess um Berliner „Tiergartenmord“

Im Auftrag staatlicher russischer Stellen soll ein 56-Jähriger in Berlin einen Georgier umgebracht haben. Ein wichtiger Zeuge änderte nun eine frühere Aussage.

Im Prozess um den sogenannten Tiergartenmord in Berlin hat ein Zeuge den Angeklagten als seinen Schwager identifiziert. „Ja, das ist er“, sagte der Unternehmer aus der Ukraine am Dienstag vor dem Kammergericht in Berlin. Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi den Beschuldigten gebeten, sich zu erheben und den Mund-Nasen-Schutz abzunehmen.

Mit seiner Aussage nannte der Zeuge die Identität, von der die Bundesanwaltschaft ausgeht. Angeklagt ist ein Russe, der am 23. August 2019 einen Georgier tschetschenischer Abstammung in der Parkanlage Kleiner Tiergarten erschossen haben soll.

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft wurde die Tat im Auftrag staatlicher russischer Stellen verübt. Der Fall belastet die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland stark. Das Opfer hatte im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft und galt dort nach Angaben der Anklage als Staatsfeind.

Der Beschuldigte selbst hatte zu Beginn des Prozesses vor rund einem Jahr über seinen Anwalt erklären lassen, er heiße Vadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Nach Überzeugung der Ermittler hat er jedoch einen anderen Namen und ist inzwischen 56 Jahre alt. Der mutmaßliche Mörder wurde kurz nach der Tat gefasst und sitzt in Untersuchungshaft. Nach Deutschland soll er erst kurz zuvor mit Alias-Namen eingereist sein. Der Angeklagte äußerte sich bislang nicht, auch am Dienstag saß er fast reglos in seiner Box aus Panzerglas.

Zeuge: Nicht ausreichend geschützt gefühlt

Mit seinen aktuellen Angaben hat der 55 Jahre alte Zeuge eine frühere Schilderung vor Gericht revidiert. Bei seiner ersten Aussage im Prozess hatte der Unternehmer ausgesagt, er erkenne den Angeklagten nicht sicher als seinen Schwager wieder. In einem "Spiegel"-Interview kurz danach gab der Mann dagegen an, er habe seinen Schwager erkannt und vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt.

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Er habe sich mit seiner ersten Aussage schützen wollen, gab der 55-Jährige nun an. Er habe sich zunächst nicht ausreichend geschützt gesehen, etwa durch ein Zeugenschutzprogramm. „Es ist so, dass sie hier auf deutschem Boden Schutz genossen haben“, betonte Richter Arnoldi. Das habe er erst später wahrgenommen, so der Zeuge. Nach dem Interview hatte er darum gebeten, seine Aussagen ergänzen zu dürfen. Infolge dessen kam es zur erneuten Vernehmung. Unterdessen ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage gegen den Mann, wie im Prozess bekannt wurde.

Auf zahlreichen Fotos aus Familienbesitz erkannt

Bei seiner erneuten Aussage vor Gericht identifizierte er den Angeklagten auf zahlreichen Fotos aus Familienbesitz, die bei Durchsuchungen in der Ukraine sichergestellt worden waren. Rechtsanwältin Barbara Petersen, die Angehörige des Opfers im Prozess als Nebenklägerinnen vertritt, zeigte Verständnis für den Zeugen. „Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass das zutreffend ist, was er hier und heute gesagt hat.“

Die Vernehmung des 55-Jährigen soll an diesem Mittwoch fortgesetzt werden. Unterdessen hat das Gericht vorsorglich weitere Prozesstage bis zum 4. Januar 2022 eingeplant. (dpa)

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