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Sicherungsverwahrung in Berlin: 150 Polizisten für sieben Häftlinge

Wenn die bisher Sicherungsverwahrten entlassen werden, kommt auf Justiz und Sicherheitskräfte viel Arbeit zu. Sieben als hochgefährlich eingestufte Langzeithäftlinge stehen zur Entlassung an, 13 weitere Berliner Straftäter mit Sicherungsverwahrung könnten bald folgen.

Sieben als hochgefährlich eingestufte Langzeithäftlinge stehen zur Entlassung an, 13 weitere Berliner Straftäter mit Sicherungsverwahrung könnten bald folgen. Wann die Männer freikommen, steht aber noch nicht fest. „Nach dem Straßburger Urteil entscheidet unsere Strafvollstreckungskammer“, sagte Justizsprecher Bernhard Schodrowski. Bleiben die Langzeithäftlinge danach hinter Gittern, können sie Rechtsmittel einlegen, dagegen wiederum kann Berlin rechtlich vorgehen. „Vor Weihnachten ist keiner draußen“, prophezeit ein Beamter. Das Problem wird dann im kommenden Jahr deutlich: Die sieben Männer haben kaum Erfahrungen in Freiheit, Resozialisierungsangebote waren dürftig. „Die kennen keine Handys, kein Internet, keinen Bankautomaten“, hieß es.

Gestritten wird um sieben Männer zwischen 50 und 69 Jahren, die aus dem Gefängnis Tegel entlassen werden müssten. Sie sind wegen schwerer Gewalttaten verurteilt worden, vor allem Sexualverbrechen. Unter Bewachung dürfen die Männer derzeit für kurze Behörden- und Spaziergänge aus Tegel raus. Alle bekommen zwei Bewährungshelfer, einen Mann und eine Frau, sowie harte Führungsauflagen: Die Verwahrten seien „umfangreich psychiatrisch begutachtet“ worden, es gebe „präzise Maßnahmen“ – etwa Alkohol- oder Fahrverbot, Wohnort- oder Jobwechsel sind vorher anzumelden, das Mitführen möglicher Tatwerkzeuge wie Messer ist untersagt. Sollte die Polizei dennoch neue Straftaten erwarten, kann das aufwendig werden – etwa durch Mobile Einsatzkommandos, die Erfahrung mit Rund-um-die-Uhr-Observationen haben. Solche Einsätze binden pro Verdächtigen 20 Beamte.

Michael Reinke, Vizelandeschef der Gewerkschaft der Polizei, sagte dem Tagesspiegel, man müsse damit rechnen, dass alle sieben Langzeithäftlinge zu überwachen seien. Dafür seien Kennern zufolge bis zu 150 Beamte nötig, das könne die Berliner Polizei keine zwei Wochen durchhalten. „Das Personal ist nicht vorhanden“, sagte Reinke. Aus der Senatsverwaltung für Justiz heißt es, niemand wisse, ob von den sieben Männern neue Taten zu erwarten seien. Eingliederung in ein Leben außerhalb des Gefängnisses stehe im Vordergrund.

Dass Auflagen ins Leere laufen können, hat zuletzt der Fall des Sexualtäters Uwe K. gezeigt. Trotz strenger Überwachung war es dem Vorbestraften laut Staatsanwaltschaft gelungen, 2008 zwei Mädchen in Spandau zu missbrauchen. Ähnlich wie andere Juristen äußerte sich der Berliner Strafverteidiger Sebastian Scharmer, der mehrere Sicherungsverwahrte in der Stadt betreut: „Observation ist teuer – man sollte das Geld lieber für Wiedereingliederungshilfen und sinnvolle Therapien ausgeben.“ Die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger teilte mit, dass für „sinnvolle Behandlungs- und Resozialisierungsmaßnahmen nicht genügend personelle und sachliche Mittel“ vorhanden seien. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass bis zu 20 Männer zu Unrecht inhaftiert blieben, damit die Rückfalltat eines einzigen Verwahrten verhindert werde. Das Gericht in Straßburg bemängelte, dass Deutschland 1998 die Höchstgrenze von zehn Jahren Sicherungsverwahrung gestrichen hatte. Folge: Wer vor 1998 zum Täter wurde, darf nach seiner Strafe für maximal zehn Jahre in Sicherungsverwahrung.

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