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Tat aus Verzweiflung: Brandstifter bestreitet Mordversuch

Horst P. steckte im Januar ein Mehrfamilienhaus an, weil er seine Miete nicht bezahlen konnte. Vor Gericht verteidigte der Hartz-IV-Empfänger seine Tat.

Ein verzweifelter Mensch, schwer erkrankt und angesichts einer Zwangsräumung zu allem fähig. So dachte man über Horst P., den 60-jährigen Brandstifter aus der Seestraße in Wedding. Das war im Januar, als P. noch auf der Flucht war. Als Angeklagter hinterließ er einen anderen Eindruck. Verbohrt wirkte der Mann, der nachts in einem Mehrfamilienhaus Feuer gelegt hatte. „Ich will mein Recht, ich hatte keine andere Wahl“, schimpfte er am Donnerstag vor Gericht. Dass er Menschen gefährdet hatte, sei falsch.

Der arbeitslose Drucker hatte 19 Liter Benzin im Vorderhaus und an den drei Aufgängen des Seitenflügels vergossen. „Ich zündete ein Taschentuch an, warf es in den Eingang“, gestand er. Es war kurz nach drei Uhr, als er Feuer legte. Die meisten der etwa 120 Menschen in den 44 Wohnungen schliefen. „Er nahm billigend in Kauf, dass Bewohner durch den Brand zu Tode kommen“, hieß es in der Anklage wegen versuchten Mordes.

Diesen Vorwurf aber bestritt P. wortreich. „Ich hatte stets die Kontrolle“, sagte er. Notfalls hätte er einen Mantel über die Flammen ausgebreitet. „Man sollte nur sehen, dass es gebrannt hat.“ Ihm sei es darum gegangen, auf sich und seinen erbitterten Streit um Heizkosten aufmerksam zu machen. Über den Brand sprach er, als wäre es eine Lappalie: „Das Treppenhaus musste man doch nur neu streichen, mehr war nicht.“

Es war eine Nachbarin, die Rauch bemerkt und sofort die Feuerwehr alarmiert hatte. Schlimmeres konnte so verhindert werden. Die Spuren waren dennoch deutlich: Das Treppengeländer im Vorderhaus war vom Hochparterre bis in den ersten Stock verkohlt, Putz großflächig von den Wänden geplatzt. Auch in einem Seitenflügel hatte das Geländer gebrannt. Beißender Qualm überall. Ein Mann erlitt eine leichte Rauchvergiftung.

Mieter Horst P. machte sich aus dem Staub. Nur Stunden nach dem Brand stand am 19. Januar die Zwangsräumung für seine Wohnung an. Der Ankläger geht davon aus, dass P. deshalb „das Mietshaus zerstören wollte“. P. widersprach. Ihm sei es nur um Aufsehen gegangen. Weil die Heizkosten um das 300-fache gestiegen seien, er Betrug vermutete, einen Rechtsstreit mit dem Vermieter um Nachzahlung verloren hatte. P. hatte jahrelang nur den ursprünglichen Betrag gezahlt. Der Hartz-IV-Empfänger wollte auch nicht, dass das Bezirksamt den Rest übernimmt.

Auf der Flucht hatte Horst P. den Kontakt zu Journalisten gesucht. Er schrieb: „Wenn Sie das lesen, lebe ich nicht mehr.“ Er sei krebskrank und habe lediglich mit seinem Hund in Ruhe leben wollen. Seinen Schäferhund fand man in einer Parkanlage. P. hatte ihn erschossen. Die Polizei ging von einem gefährlichen Mann aus, der nichts mehr zu verlieren hatte. Krank sei er 2005 gewesen, sagte der Angeklagte. Ob er beim Feuerlegen verzweifelt war? „Nein, nur emotionslos“, sagte P. Ob an seiner Schuldfähigkeit zu zweifeln ist, soll ein Psychiater klären. Der Prozess geht Dienstag weiter.

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