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Raus aus der Zelle. Die JVA Tegel entlässt sieben Gewalttäter.

© Mike Wolff

Tegel: Sieben Gewalttäter werden aus Sicherungsverwahrung entlassen

Aus dem Gefängnis in Tegel werden sieben Schwerverbrecher entlassen. Sie saßen mehr als zehn Jahre in Sicherungsverwahrung, zu Unrecht, sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Sieben bislang als gefährlich eingestufte Schwerverbrecher in der sogenannten Sicherungsverwahrung (SV) können vermutlich schon in den kommenden Wochen die Justizvollzugsanstalt Tegel verlassen. Diese Zahl wird von der Justizverwaltung bestätigt. Hintergrund ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der die deutschen Regelungen der Sicherungsverwahrung als teilweise rechtswidrig kritisiert hatte. In der vergangenen Woche war bereits in Hessen der als hochaggressiv eingestufte Räuber Reinhard M. entlassen worden. Dieser hatte die Entscheidung der europäischen Richter erstritten, von der bundesweit insgesamt 70 Sicherungsverwahrte profitieren werden.

Bundesweit profitieren rund 70 Täter in Sicherungsverwahrung von dem Urteil

Die sieben betroffenen Häftlinge in Berlin – sie sind zwischen 50 und 70 Jahre alt – haben schon vor 1998 in Sicherungsverwahrung gesessen, als die Bundesrepublik die damalige Höchstgrenze von zehn Jahren kippte. Für die EGMR-Richter ist dies ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot. Der Rechtsanwalt Steffen Tzschoppe hat für vier der sieben Sicherungsverwahrten einen Antrag auf Entlassung gestellt, er erwartet eine „zeitnahe Entscheidung“. Die Justiz hält ebenfalls „eher Wochen als Monate“ für wahrscheinlich. Doch auch die drei weiteren Häftlinge werden voraussichtlich freikommen, auch wenn sie bislang keinen Antrag gestellt haben.

Für sieben Jahre gibt es 65.000 Euro Haftentschädigung

Die sieben Betroffenen sitzen zwischen elf und 17 Jahren in der Sicherungsverwahrung – und werden für die überzähligen Jahre voraussichtlich eine Haftentschädigung bekommen, sagte Anwalt Tzschoppe. Für sieben Jahre stehen einem Häftling etwa 65.000 Euro zu. Die Verbrechen der sieben Männer hatten seinerzeit durchgehend Entsetzen ausgelöst. Jürgen B. zum Beispiel sitzt seit 1969 fast ununterbrochen im Gefängnis. Nachdem er zehn von 15 Jahren wegen Mordes an einer Frau abgesessen hatte, tötete er 1979 während des Hafturlaubs eine weitere Frau und deren fünfjährigen Sohn. Das tote Kind missbrauchte er anschließend. Tzschoppe hat vermutlich recht, wenn er sagt: „Draußen freut sich keiner auf ihre Entlassung.“

Die Justiz steht nun vor dem Problem, diese Gewalttäter in kürzester Zeit auf ihre Freiheit vorzubereiten. Dies ist bei Gefangenen, die bislang keinerlei Hoffnung auf eine Freilassung haben konnten, immens schwierig. Mitgefangene berichten, dass vor allem zwei der Männer „völlig verwahrlost“ seien. „Die liegen den ganzen Tag auf dem Bett und spielen mit der Playstation“, sagt ein Häftling. Es sei völlig unberechenbar, wie sich diese Häftlinge in Freiheit verhalten werden. „Die haben selbst Angst rauszukommen“, hieß es. Befürchtet werden auch massive Proteste in der Nachbarschaft, wenn bekannt werden sollte, wo die Männer wohnen.

Justiz will scharfe "Führungsaufsicht" für fünf Jahre

Die Justiz will deshalb eine extrem scharfe „Führungsaufsicht“ für den maximal zulässigen Zeitraum von fünf Jahren durchsetzen: Geplant ist dem Vernehmen nach unter anderem eine wöchentliche Meldepflicht bei der Polizei sowie weitere, unangemeldete Besuche von Beamten. Den Männern, die ihre Tat unter Alkoholeinfluss begangen hatten, soll ein Alkoholverbot auferlegt werden. Letztlich wird ein Gericht über die Auflagen entscheiden.

Dass Auflagen auch ins Leere laufen können, hat zuletzt der Fall des Sexualtäters Uwe K. gezeigt. Trotz strenger Überwachung war es dem vielfach Vorbestraften laut Staatsanwaltschaft gelungen, zwei weitere Mädchen in Spandau zu missbrauchen. Uwe K. steht derzeit wieder vor Gericht.

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