zum Hauptinhalt
Gisela von der Aue.

© Kai-Uwe Heinrich

U-Bahnschläger: Justizsenatorin verteidigt U-Haft-Entscheidung

"Es blieb keine andere Möglichkeit als eine Freilassung", sagt Gisela von der Aue zum Streit um die unterbliebene Untersuchungshaft für Torben P. Der angeklagte U-Bahnschläger wird unterdessen massiv bedroht.

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hat ihrem Partei- und Senatskollegen Ehrhart Körting vorgeworfen, sich im Streit um die unterbliebene Untersuchungshaft für den mutmaßlichen U-Bahnschläger Torben P. gegen das Verfassungsgericht gestellt zu haben. „Für den Haftbeschluss ist weder allein die Schwere der Schuld, noch eine Erregung der Öffentlichkeit maßgeblich“, dies hätten die Karlsruher Richter eindeutig entschieden, sagte von der Aue am Mittwoch auf einer Diskussionsveranstaltung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger im Verlagshaus des Tagesspiegel.

Innensenator Körting hatte den Richterbeschluss zuvor kritisiert: Die Gesetze hätten auch erlaubt, den 18-jährigen Tatverdächtigen in Haft zu nehmen. Zwar sei die Justiz nicht sakrosankt und könne kritisiert werden, so von der Aue. „Wenn man aber durch engmaschige Kontrolle sicherstellen kann, dass es weder eine Flucht- noch eine Wiederholungsgefahr gibt, bleibt keine andere Möglichkeit als eine Freilassung.“

Generalstaatsanwalt Ralf Rother verteidigte ebenfalls die umstrittene Entscheidung. „Es handelt sich immer um eine Prognose, Gewissheit gibt es nicht. Aber er sei ja nicht mehr straffällig geworden, das bestätigt die Entscheidung des Richters.“ Die Justiz dürfe nicht alles sagen, was sie über einen Beschuldigten weiß. „Deshalb haben wir ein Vermittlungsproblem.“ Er wünsche sich „mehr Zutrauen in die Professionalität“ von Richterinnen und Richtern, „sie machen sich ein genaues Bild“.

Richter Günter Räcke forderte, die Justiz müsse angstfrei entscheiden können. Das sei nicht der Fall, wenn, wie geschehen, Boulevardjournalisten einen Richter bis nach Hause verfolgten. Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt sagte, der Fall lasse viele Fragen offen. So lange dies so sei, bestehe auch eine Wiederholungsgefahr. Eine U-Haft sei „zumindest diskutabel und juristisch vertretbar“ gewesen.

Unterdessen hat die Bettina-von-Arnim-Oberschule über die weitere Beurlaubung von Torben P. entschieden. Der 18-jährige Tatverdächtige wird ab Montag auf eigenen Wunsch weitere sechs Wochen nicht am Unterricht teilnehmen. Der Leiter der Gesamtschule im Märkischen Viertel entschied in Absprache mit der Senatsverwaltung. Wenn bis zum Ende der Beurlaubung der Prozess noch nicht begonnen hat, soll erneut über den Verbleib des Schülers entschieden werden, heißt es von der Bildungsverwaltung. P. hatte gestanden, auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße am Karsonnabend einen 29-Jährigen zusammengeschlagen und durch Kopftritte schwer verletzt zu haben. Nach den Osterferien war er für zehn Tage vom Unterricht ausgeschlossen worden. Die Anklageschrift wurde P. am Mittwoch zugestellt. Ihm wird versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Dem 18-jährigen Mittäter Nico A. werden gefährliche Körperverletzung und unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen. Der Prozesstermin wird Ende Mai bekannt gegeben.

Bei der Entscheidung der Schule, den 18-Jährigen weiter zu beurlauben, spielte die Frage nach dem Schulfrieden eine entscheidende Rolle. Ein normaler Schulalltag schien bei der aufgeheizten Stimmung unter den Schülern kaum möglich. Alle kennen die brutalen Szenen aus dem Überwachungsvideo der BVG. Wie sehr der Vorfall die Schüler bewegt, zeigt sich im Internet. In hunderten Kommentaren werden dort Fotos und private Daten wie Telefonnummern und Adressen der Familie P. veröffentlicht. Zum Teil wird auch offen mit Gewalt gedroht. Der Mitschüler gehöre „abgestraft“, schreibt ein User, „wenn nicht von der Justiz, dann von anderen“. Einige posten Gerüchte, nach denen Torben P. bereits von einem Freund des Opfers angegriffen worden sein soll. Andere rufen dazu auf, den vollen Namen des Tatverdächtigen in möglichst vielen Internetforen zu veröffentlichen, um ihm auch nach einer Haftstrafe das Leben schwer zu machen. „Wenn er sich bewirbt, wird immer dieses Video zu sehen sein“, kommentiert ein Nutzer.

Zur Startseite