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Urteil: Frau gewinnt Prozess wegen Diskriminierung - mit Mathe

Den Job als Direktorin hat sie nicht bekommen, das Gehalt eines Direktors sprach ihr das Gericht jetzt trotzdem zu: Die 47-jährige Silke K. siegte am Mittwoch vor dem Landesarbeitsgericht mit einer Klage wegen Diskriminierung. Und das mit Hilfe der Mathematik.

Als es um die Beförderung zur Direktorin ging, wurde Silke K. übergangen – ein Kollege bekam den Posten. Doch jetzt bekommt die 47-Jährige trotzdem das gleiche Gehalt wie er, das sind monatlich gut 1400 Euro mehr als bisher. Die Betriebswirtin klagte wegen Diskriminierung, verlangte Schadensersatz – und siegte gestern vor dem Landesarbeitsgericht.

Jahrelang hatte K. ihre Arbeit als Abteilungsleiterin Personal bei der Gema gemacht, und schon damals wurde sie nach eigenen Angaben schlechter bezahlt als ein Kollege, der im Münchner Büro die gleiche Aufgabe hatte. Als im Dezember 2006 ein Direktorenposten frei wurde, bewarb sich Silke K. Doch der Kollege bekam den Job – ohne Ausschreibung. Per Aushang wurde verkündet, dass Manfred R. nun im Direktorium sei. Und der sparte fortan nicht mit fiesen Sprüchen.

Die Gema ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte. Wann immer ein Lied im Radio gespielt oder auf Platte gepresst wird, kassiert sie im Namen der Künstler eine Gebühr. Rund zwei Drittel der Gema-Beschäftigten sind Frauen, aber in 27 Führungspositionen findet sich keine einzige. Da spreche schon allein die Wahrscheinlichkeit für Diskriminierung, argumentierte die Klägerin – und bekam recht. Denn ihr Arbeitgeber konnte das Gegenteil nicht beweisen. Silke K. hatte einen Mathematiker als Gutachter beauftragt, und der rechnete nach der sogenannten Monte-Carlo-Simulation aus, dass es in einem Betrieb mit 65 Prozent weiblichen Beschäftigten eine Wahrscheinlichkeit von nur einem Prozent gibt, dass keine von ihnen eine Führungsposition bekleidet.

Bundesweit erstmalig passierte es, dass ein Gericht die Statistik als Beweis akzeptierte. Aufgrund der Konstruktion des Antidiskriminierungsgesetzes wanderte die Darlegungslast dadurch zum Arbeitgeber, der das Zustandekommen der Personalentscheidung hätte nachvollziehbar machen müssen. Das konnte die Gema nicht, da es nichts Schriftliches über den Vorgang gab.

Deutliche Worte fand das Gericht für das Verhalten von Manfred R., der die Klägerin mit demütigenden Äußerungen und versteckten Drohungen drangsaliert hatte. Das Mobbing durch den Chef brachte K. 20 000 Euro Entschädigung ein. Gut 28 000 Euro sind außerdem an entgangenen Gehältern nachzuzahlen. K.s Anwalt Hans-Georg Kluge will trotzdem vor dem Bundesarbeitsgericht Revision einlegen, wie die Gegenseite auch.

Das Urteil ist eine weitere Folge des Antidiskriminierungsgesetzes, das seit August 2006 gilt. Erst kürzlich hatte ein 40-jähriger Beschäftigter des öffentlichen Dienstes erwirkt, dass er nach der höchsten Tarifstufe bezahlt wird, die für die ältesten und damit teuersten Kollegen gilt.

Fatina Keilani

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