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© dpa

Urteil: Verfahren gegen Windhorst eingestellt

Das Strafverfahren gegen den früheren Vorzeige-Unternehmer Lars Windhorst wird gegen eine Zahlung von insgesamt 3,5 Millionen Euro durch eine "Verständigung" ausgesetzt.

Berlin – Dunkler Anzug, blütenweißes Hemd mit Einstecktuch, ein rot schimmernder Binder – so taucht Lars Windhorst mit ernster Miene in das grelle Licht der Kameras. Kurz blitzt im Gesicht des heute 33-jährigen Kaufmanns aus Rahden ein Lächeln auf, ganz so, als träte hier das Wunderkind der New Economy noch einmal ins Rampenlicht, um seine neusten Investments vorzustellen. Doch er besinnt sich schnell, der Angeklagte, und entschwindet schweigend in Saal 500 des Berliner Landgerichts. Dort muss er sich wegen Untreue, Betrug und Insolvenzdelikten verantworten.

Zwei Stunden später hat es Lars Windhorst wieder geschafft: Gegen eine Geldstrafe in Höhe von 3,5 Millionen Euro und eine Bewährungsstrafe von einem Jahr wird das Verfahren eingestellt, bevor es überhaupt in Gang kommt. Darauf verständigen sich das Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger – sowie der von Windhorst geschädigte Klinikunternehmer Ulrich Marseille. Möglich ist so eine Verständigung in Strafverfahren erst seit August. Voraussetzung für diesen Deal war ein Geständnis, das der frühere Vorzeige-Unternehmer von seinem Anwalt verlesen lässt. Er bedauert die Taten, erklärt sie mit seinem Alter von damals 26 Jahren und seinem Mangel an unternehmerischen Erfahrungen.

„Ich bin sehr erleichtert. Die Vorwürfe sind aus der Welt. Ein sehr belastendes Kapitel geht zu Ende, und ich kann mich mit voller Kraft ins neue Jahr stürzen“, sagt Windhorst, als er aus dem Gerichtssaal tritt. Alles andere überlässt er seinem Anwalt. Hartnäckigen Reportern reicht er seine Karte: Sein Name steht darauf und „Sapinda“. So heißt die Investmentfirma mit Sitz in London, die Windhorst heute beschäftigt. Deren Chef ist Bob Hersov. Der südafrikanische Unternehmer hatte Windhorst schon einmal viel Geld anvertraut und fast alles verloren. So wie Klinikunternehmer Marseille. Doch Hersov verklagte Windhorst nicht, sondern stellte ihn ein. Jetzt macht Windhorst weiter: Millionen und Pleiten – Anfang des Jahres schickte er die Firma Vatas in die Insolvenz. Rechtzeitig, ohne Konkursverschleppung. Er hat gelernt.

Bereits als 15-Jähriger hatte er mit Computerteilen gehandelt und eine Firma mit hunderten Beschäftigten aufgebaut. Bundeskanzler Helmut Kohl nahm ihn als Wirtschaftswunderkind mit auf Asien-Reisen. Windhorst baute ein Geflecht aus Firmen auf, handelte mit Beteiligungen und stellte Pläne für den Bau eines Wolkenkratzers in Vietnam vor. Dann brach alles zusammen. Zurück blieben Schulden von 78 Millionen Euro.

Was dann folgte, ist auch die Geschichte einer persönlichen Fehde zwischen Klinikunternehmer Marseille und Windhorst. Anders als die anderen 60 Gläubiger – darunter namhafte Industriekonzerne, Kredithäuser und eine Agentur von Filmstar Michael Douglas – begnügte sich Marseille nach Windhorsts Insolvenzen nicht mit zwei Prozent seiner Forderungen. „Ich werde ihn verfolgen und notfalls in Restaurants und Bars das Bargeld aus seinen Taschen pfänden lassen“, drohte Marseille damals.

Jetzt sagt er dem Tagesspiegel: „Es lohnt sich, hartnäckig zu sein.“ Einen großen Teil seines Geldes habe er zurück. Und: „Jeder Mensch verdient eine zweite Chance.“ Windhorst habe ihn angerufen, einen Monat nach Windhorsts Absturz vor zwei Jahren mit einem Privatjet, bei dem er sich schwer verletzte. Er habe sich entschuldigt und Fehler eingeräumt.

Deshalb begründet Staatsanwalt Frank Thiel den Deal wohl damit, dass Windhorst „einen relevanten Teil des Schadens“ zurückzahlt. Fünf Millionen Euro an Marseille. Auch in die Landeskassen fließt viel Geld – eine Million Euro, dazu ein Nettojahresgehalt von Windhorst.

Stumm führen die großen Sandsteinfiguren in der gewaltigen Kuppelhalle des Kriminalgerichts das Schauspiel von Recht und Gerichtsbarkeit vor. Da ist der Friede mit dem Ölzweig in der Hand oder auch die Lüge mit der Schlange im Griff, und natürlich die Wahrheit, sie hält den Spiegel vor. Windhorsts Wahrheit – und für das Gericht unter der Vorsitzenden Richterin Claudia Wolter war dieses Eingeständnis glaubhaft – geht so: Das Schicksal seiner Unternehmungen habe sich „durch das Ende der Blase am Neuen Markt gewendet“. Er sei damals 26 bis 28 Jahre jung gewesen. Und er habe zunächst selbst nicht wahrnehmen wollen, dass die Geschäfte gescheitert waren, und sich persönlich hoch verschuldet, um den Zusammenbruch doch noch abzuwenden. „Mir ist bewusst, dass ich dazu nicht berechtigt war“, erklärt Windhorst, der Reuige.

Als er längst wieder weg ist, wird sein Fall vor Raum 500 ein letztes Mal verhandelt: „Gar nicht mal so unsympathisch“, sagt eine Zuschauerin. Eine andere: „Ja, aber die gezupften Brauen, wie ein italienischer Gigolo“ – „Schwarz nachgezogen dazu“, pflichtet die erste bei.

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