Volkspark Humboldthain in Berlin-Mitte: Obdachloser stirbt bei Minusgraden
In der Nacht zu Sonntag ist ein Obdachloser im Volkspark Humboldthain gestorben - Todesursache unklar. Staatsekretär Fischer: "Haben Raumreserven eingeplant."
- Hannes Heine
- Alexander Fröhlich
- Paul Lütge
Während der öffentlichen Debatte um die zahlreichen Obdachlosen in Berlin ist in der Nacht auf Sonntag ein Mann im Volkspark Humboldthain gestorben. Laut Polizei wurde der Russe am Sonntagmorgen gegen 6:20 Uhr auf einer Parkbank gefunden. Vorläufigen Angaben zufolge soll er um die 50 Jahre alt gewesen sein. Ob der Mann wegen der Kälte verstarb, ist unklar – Hinweise auf Suizid oder Fremdverschulden gibt es nicht. Die Todesursache wird ermittelt, die Polizei wartet die Obduktion ab.
„Das ist eine Nachricht, die mich betroffen macht. Wir kennen noch nicht die Todesursache, insofern verbieten sich Spekulationen. Ich rufe alle Berlinerinnen und Berliner auf, die Augen offen zu halten und Obdachlose anzusprechen, ob sie Hilfe brauchen“, sagte Berlins Sozialstaatssekretär Alexander Fischer (Linke) dem Tagesspiegel.
„Bislang gab es in jeder Nacht mehr als 200 freie Betten in der Kältehilfe. Mit insgesamt 1200 Plätzen gibt es so viele wie nie. Aber nun rollt eine Kältewelle auf Berlin zu. Unser Versprechen steht: Wer ein Bett für die Nacht braucht, bekommt Hilfe. Wir haben Raumreserven eingeplant und reden jetzt mit den Bezirken darüber, welche wir kurzfristig öffnen.“ Die Stadtgesellschaft müsse zusammen halten.
Umstrittener Einsatz am Hauptbahnhof
Wie berichtet, hatte Dieter Puhl, langjähriger Leiter der Bahnhofsmission am Zoo, eine „Osteuropakonferenz“ angeregt. Dort soll über den Umgang mit den vielen Obdachlosen in Berlin, die aus Osteuropa kommen, beraten werden. „Das wäre ein wichtiges Signal und ist lange überfällig“, sagte Puhl vor den Berliner SPD-Abgeordneten bei deren Klausur in Rostock. „Wir werden das Thema nicht in den Griff kriegen, wenn man nicht mit den Heimatländern der Menschen in Kontakt tritt“. Er machte deutlich: „Wir wollen niemanden abschieben, darum geht es nicht. Russen, Rumänen, Polen und andere auf der Straße sterben zu lassen ist aber auch eine schlechte Alternative.“
In Berlin leben Schätzungen zufolge bis zu 10.000 Menschen auf der Straße. Staatssekretär Fischer sagte, man begrüße die Idee einer Konferenz – „vor allem, dass der Bund mit ins Boot geholt werden soll“. Man sei regelmäßig mit den Botschaften im Gespräch: „Aber am Ende zählen konkrete Ergebnisse.“ Einige wenige polnische Obdachlose sind inzwischen ins Nachbarland zurückgekehrt. Die Debatte um den richtigen Umgang mit ihnen hatte sich nach einer vom Bezirksamt Mitte angeordneten Räumung eines Obdachlosen-Camps am Hauptbahnhof verschärft.
Bei dem Einsatz am 9. Januar hatten Beamte einer Obdachlosen, die mit den Händen auf dem Rücken gefesselt war, ein Tuch über den Kopf gezogen und wie ein Sack von hinten zusammengehalten. Grund für das Tuch war Läusebefall, der Einsatz diente dem Eigenschutz der Beamten. Zuvor soll die Frau die Beamten bespuckt und getreten haben. Das Ordnungsamt hatte die Räumung des Zeltlagers gegenüber den Bewohnern mehrfach angekündigt – lediglich die Frau hatte sich geweigert, den Park zu verlassen. Sie war von der Polizei mit dem von hinten über den Kopf geworfenen Tuch vorläufig festgenommen worden.
Minusgrade auch in den kommenden Nächten
Mittes Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) verteidigte den Einsatz, mit dem unhaltbare hygienische Zustände beseitigt worden seien. Von vielen Seiten kam hingegen Kritik, nun auch von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), sie twittetert: „Es ist schon unerträglich, dass Mitte räumen lässt, ohne den Menschen Hilfe anzubieten, aber der Umgang der Polizei ist mindestens genauso unerträglich.“ Sozialstaatssekretär Fischer kündigte an: „Wir werden einladen, um über einen berlinweit einheitlichen Umgang mit Obdachlosencamps zu reden.“ Kritik kommt auch von der SPD.
Deren Mitte-Kreischefin Bundestagsabgeordnete Eva Högl sagte, das Vorgehen sei unverhältnismäßig gewesen: „Obdachlose Menschen unter Gewaltanwendung aus der Öffentlichkeit zu verdrängen hilft niemandem – schon gar nicht den Betroffenen.“ Nötig sei ein gemeinsames Vorgehen von Senat und Bezirken. Laura Neugebauer, Fraktionschefin der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, teilte mit: „Solange wir in Berlin keine abgestimmte und funktionierende Hilfe für Wohnungslose gibt, wird es leider weiter Obdachlose geben, die in elenden Situationen leben.“ Die Grünen-Chefin im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, hatte die Bilder vom Polizeieinsatz als „schockierend“ bezeichnet. Die Linken wollen den Einsatz im Innenausschuss auswerten.
Auch in den kommenden Nächten wird es kalt – mit Tiefstwerten bis zu minus 5 Grad Celsius. Um Obdachlose zu schützen, sind zwei U-Bahnhöfe als Notunterkünfte geöffnet. Die Stadtmission fährt noch bis März mit einem Kältebus durch Berlin, um Wohnungslosen zu helfen. Wer eine bedürftige Person sieht, kann die Berliner Stadtmission telefonisch unter 0178 /5235838 erreichen.
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