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Wedding: Dealer erschossen und einbetoniert

Drei Tage nach Tod des Dealers überzog Murat M. die notdürftig aufgefüllte Grube mit einer Betonschicht. Ein grausiges Geheimnis. Fast zwei Jahre lang lag die Leiche des 40-jährigen Irfan Ö. im Keller eines Getränkeladens in Wedding.

Drei Tage nach Tod des Dealers überzog Murat M. die notdürftig aufgefüllte Grube mit einer Betonschicht. Ein grausiges Geheimnis. Fast zwei Jahre lang lag die Leiche des 40-jährigen Irfan Ö. im Keller eines Getränkeladens in Wedding. M. wurde aus Sicht der Staatsanwaltschaft gezwungen, die Spuren der Tat, die einer Hinrichtung glich, zu beseitigen. Nun muss sich M. wegen Strafvereitelung verantworten und sitzt gemeinsam mit Dogan A., dem mutmaßlichen Todesschützen, vor Gericht. Es war laut Anklage ein Mord im Drogenmilieu.

Dogan A. ist 58 Jahre alt. Ein vierfacher Vater ohne Vorstrafen. Seit über zwölf Jahren lebt der gelernte Kraftfahrer aus der Türkei illegal in Deutschland. Er soll eine große Nummer im Rauschgiftgeschäft gewesen sein, galt als einer der führenden Dealer in Berlin. Auf Streckmittel für Heroin und Kokain hatte er sich den Ermittlungen zufolge „spezialisiert“. Da sei er der größte Händler in der Stadt gewesen. Aber Irfan Ö., der angeblich von einem Handlanger zum Geschäftspartner aufgestiegen war, soll als ein „zunehmend erfolgreicher Konkurrent“ aktiv gewesen sein. Dogan A. habe deshalb beschlossen, den Rivalen „zu beseitigen“, um gemeinsame Gewinne von rund 200 000 Euro nicht teilen zu müssen.

Am Abend des 5. März 2007 trafen sich Dogan A. und Irfan Ö. im Getränkeladen in der Brüsseler Straße zu einer „letzten Unterredung“. So jedenfalls schilderte es später der 37-jährige M. gegenüber der Polizei. Über seine Rolle in dem Krimi aus dem Drogensumpf soll er allerdings nur dezent Auskunft gegeben haben: M. soll für die beiden Dealer der „Banker“ und „Kassenwart“ gewesen sein. Er habe große Summen gebunkert. Als Versteck diente jenes Loch im Keller, das er zur Grube für die Leiche aushob.

Angeblich war es Irfan Ö., der eine Waffe zog. A. habe sie ihm im Gerangel abgenommen. „Wenn du mich einmal mit einer Pistole bedrohst, wirst du es wieder tun“, soll er erklärt und Irfan Ö. aufgefordert haben, sich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen. „Er schoss ihm Sekunden später aus nächster Nähe in den Hinterkopf“, heißt es in der Anklageschrift. Anschließend soll er Murat M. unter Todesdrohungen aufgefordert haben, die Leiche im Keller zu verscharren.

Nervös wirkte Murat M. im Gerichtssaal. Nur selten hob er den Kopf. Ihm gegenüber saß Dogan A., der oft lächelte und sich recht gelassen gab. Murat M. ist in dem Prozess der Mitangeklagte und zugleich der Hauptbelastungszeuge. Als die Polizei Anfang 2009 neue Hinweise zum Fall des als vermisst gemeldeten Irfan Ö. erhielt, wurde er vorgeladen. Er erzählte eine Geschichte: „Irfan stieg in ein Auto und verschwand.“ Die Ermittler aber hatten den Eindruck: „Der Mann weiß mehr.“

Als Beschuldigter packte Murat M. aus. Er habe aus Angst vor Repressalien gegen sich und seine Familie so lange geschwiegen, versicherte er. Er habe sich im Keller in das vergrößerte Loch legen müssen. „Ich machte mir vor Angst in die Hose“, gab er zu Protokoll. Aus Sicht der Kriminalbeamten war das, was er schilderte, plausibel. Was er jedoch für seine Dienste als „Kassenwart“ erhielt, verriet er nicht. „M. sagte, dass er vermitteln und schlichten, aber nichts mit Drogen zu tun haben wollte“, sagte ein Ermittler. Nach einem Hinweis von M. wurde die Leiche gefunden. Spürhunde hatten sie zuvor nicht entdeckt.

Die Verteidiger von Dogan A. sehen M. aber in einem anderen Licht. Seine Aussage sei „extrem unglaubwürdig“. Sie beantragten, Geldüberweisungen des Getränkehändlers in die Türkei zu prüfen. In zeitlicher Nähe mit der Tötung des Dealers Ö. habe er erhebliche Summen transferiert. Als der Antrag verlesen wurde, ging es Murat M. plötzlich schlecht. Der Prozess wird am 3. November fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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