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Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten in Kreuzberg. Anlass sind Proteste gegen eine Zwangsräumung.

© dpa

Update

Zwangsräumung in Kreuzberg: Aktivisten protestieren bei Polizeieinsatz in Lausitzer Straße

Die Wohnung einer türkischstämmigen Familie in Kreuzberg ist am Donnerstagmorgen zwangsgeräumt worden. Aktivisten hatten mit Sitzblockaden dagegen protestiert.

In der Lausitzer Straße in Kreuzberg ist am Donnerstag früh die Wohnung einer türkischstämmigen Familie zwangsweise geräumt worden. Die Polizei war mit rund 400 Beamten im Einsatz. Seit den frühen Morgenstunden kreiste der Polizeihubschrauber über Kreuzberg. Ein Aktionsbündnis hatte bereits für 7 Uhr morgens zum Protest aufgerufen. In der Lausitzer Straße versuchten rund 100 Demonstranten, die Räumung mit einer Sitzblockade zu verhindern. Die Lausitzer Straße wurde von der Polizei mit Gittern abgesperrt. Nach Angaben einer Sprecherin des Bündnisses "Zwangsräumung verhindern" wurden insgesamt rund 1000 Demonstranten mobilisiert, die meisten davon befanden sich jedoch außerhalb der Lausitzer Straße.

Kurz nach 9 Uhr trat Ali Gülbol, dessen Wohnung in der Lausitzer Straße zwangsgeräumt wurde, vor die Haustür der Wiener Straße 13. Von hier gibt es einen zweiten Zugang zum Hof des Gebäudes in der Lausitzer Straße 8. Die Polizei war von diesem Zugang in das Haus gelangt, indem die Beamten einen Maschendrahtzaun durchschnitten hatten, bestätigte ein Polizeisprecher. Laut Ali Gülbol seien die Beamten schon seit 6 Uhr früh im Hof des Gebäudekomplexes gewesen. Laut Titel sollte die Räumung für 9 Uhr morgens angesetzt werden. "Ich war noch bis zehn Minuten vor neun Uhr bei meinen Eltern im 5.Stock. Als ich runter kam in meine Wohnung, stand die Polizei mit der Gerichtsvollzieherin bereits im Flur", sagt Gülbol. Seiner Aussage nach sei die Gerichtsvollzieherin "verkleidet gewesen als Polizistin", sie habe sich eine Polizei-Weste übergezogen. Ein Polizeisprecher konnte dazu bislang keine Angaben machen. Ihre Möbel hatte die fünfköpfige Familie Gülbol schon vor der Räumung aus der Wohnung geschafft und im fünften Stock bei den Eltern abgestellt, erzählt der Familienvater. "Damit wollten wir verhindern, dass uns noch mehr Kosten entstehen", sagte er. Als Beobachter waren auch Hakan Tas von der Linkspartei sowie Altun Turgut von den Grünen an der Lausitzer Straße.

Auf der U1 war zwischenzeitlich der Verkehr gesperrt

Ali Gülbol sagte den Unterstützern und Medienvertretern nach der Räumung: "Polizei und Justiz öffnen einem unmenschlichen Vermieter die Möglichkeit, uns in die Obdachlosigkeit zu schicken. Der Streit zwischen der türkischen Familie und dem Hausbesitzer dauert schon länger. Es geht dabei um Mieterhöhung, Mietrückstände und zu spät gezahlte Nachforderungen. Ein Gericht bestätigte die vom Hausbesitzer beantragte Räumung. Dagegen wehren sich verschiedene Gruppen von Aktivisten, die diese Räumung als Beispiel anführen, um dem Senat eine verfehlte Wohnungspolitik vorzuwerfen.

Der Hausbesitzer war für eine Stellungnahme am Donnerstag für den Tagesspiegel nicht zu erreichen.

"Es geht uns sehr schlecht, weil die Räumung vollzogen wurde, aber es geht uns auch sehr gut, weil wir so viel Solidarität erfahren haben", sagte Gülbol noch in einem seiner weiteren Interviews vor dem Gebäudekomplex.

Zwischenzeitlich war die nahe gelegene U-Bahnlinie U1 zwischen Kottbusser Tor und Warschauer Straße gesperrt, da Unbekannte in dem Bereich mehrere Autoreifen auf der Fahrbahn der Skalitzer Straße angezündet hatten, hieß es bei der Polizei. In der Glogauer Straße stand ein Müllcontainer in Flammen. Auch vier in Brand gesteckte Autos der Allianz-Versicherung am Strausberger Platz in Friedrichshain stehen wahrscheinlich nach Einschätzung der Ermittler in Zusammenhang mit der angekündigten Zwangsräumung. Auf linken Internetseiten hatten Aktivisten vor dem Einsatz mobil gemacht. Zeugen hatten gegen 5.50 Uhr gesehen, wie rund 10 bis 15 schwarz gekleidete Leute vom Strausberger Platz flüchteten. Zuvor hatten diese offenbar vier Autos - darunter zwei der Marke Smart - des Versicherungskonzerns Allianz umgekippt und angezündet. In der Nähe befindet sich ein Büro des Unternehmens. Die Polizei wollte einen Zusammenhang zwischen der Räumung und den angezündeten Autos nicht bestätigen. "Die Ermittler des Staatsschutzes ermitteln noch", hieß es.

Während des Einsatzes war es vereinzelt zu Rangeleien zwischen den Räumungsgegnern und Polizeibeamten gekommen, dabei setzten die Polizisten auch Pfefferspray ein. Nach Angaben eines Polizeisprechers wurden den gesamten Einsatz über zehn Einsatzkräfte leicht verletzt, konnten aber ihren Dienst fortsetzen.

Um kurz nach 10 Uhr startete eine Demonstration von der Lausitzer Straße. Die mehreren hundert Demonstranten passierten dabei die Skalitzer Straße und bogen auf den Kottbusser Damm ein. Wie die Polizei mitteilte, kam es dabei zu mehreren Straftaten wie Sachbeschädigungen, Landfriedensbruch, versuchter Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Insgesamt wurden 20 Personen nach Straftaten festgestellt, von denen zehn festgenommen wurden. Gegen halb elf Uhr errichtete die Polizei Straßensperren an der Kottbusser Brücke und an der Mariannenstraße, woraufhin sich die Demonstration allmählich zerstreute.

Seit dem frühen Nachmittag herrsche Ruhe in Kreuzberg, hieß es bei der Polizei.

Hintergrund der Zwangsräumung ist ein Mietstreit zwischen der türkischen Familie Gülbol und ihrem Vermieter, der Franell Consulting GmbH.

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