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Berlin: Polizei setzt neueste Technik gegen Metalldiebe ein

Mit Hubschrauber und Bildverstärkerbrille: Wie Ermittler und Firmen gegen die immer dreister agierenden Täter vorgehen

Sie plündern Windräder und Kirchendächer, montieren Oberleitungen ab und durchsägen Gasrohre. Kupferdiebe in Berlin und Brandenburg agieren zunehmend dreister. Die rasant gestiegenen Buntmetallpreise treiben die gut organisierten Banden zu immer ausgefalleneren Beutezügen. Die Polizei jagt sie mit Wärmebildkameras und Hubschraubern. Erst vor einer Woche traf es erneut die S-Bahn. Metalldiebe hatten es auf die Kabel der S2 abgesehen und dabei wichtige Leitungen der Bahn beschädigt.

„Eine Tonne Kupfer kostet derzeit etwa 9500 Dollar, bis 2004 waren es nur um die 2000 Dollar“, sagt Ralf Schmitz, Geschäftsführer Verband Deutscher Metallhändler (VDM). Für den Anstieg seien Spekulanten verantwortlich, die es auf die Buntmetalle abgesehen haben. Viele Anleger hätten spätestens seit der Finanzkrise 2008 Metalle als eine sichere Geldanlage entdeckt. Plötzlich stiegen die Preise unaufhaltsam.

Das Problem mit den Kupferdieben kennen seine Verbandsmitglieder gut. „Teilweise werden ganze Lastwagen mit Kupfer vom Firmenparkplatz weggestohlen“, sagt Schmitz. Der 1907 gegründete Verband vertritt fast 90 Prozent aller deutschen Unternehmen des „Nicht-Eisen-Metall-Marktes“. Das sind bundesweit mehr als 500 Firmen, vor allem Großhändler, aber auch Recyclingfirmen. Mit einem eigenen Warnsystem geht der VDM gegen die Diebe vor. Wenn größere Mengen gestohlen werden, sammelt Schmitz Seriennummern, Fotos und weitere Daten des Diebesgutes. „Die Informationen schicken wir dann sofort per E-Mail an alle Mitglieder und Partnerverbände in Europa.“ In einigen Fällen konnten so Metalldiebe gefasst werden.

Doch bei Schmitz geht es nur um große Mengen ab einer Tonne. Die kleinen Schrotthändler an der Straßenecke sind nicht im VDM organisiert. „Wenn da jemand ein paar Kilo Kleinmetalle vorbeibringt, wird kein Mensch fragen, wo das herkommt.“ Der Diebstahl im kleinen Stil scheint kaum zu stoppen zu sein. Wie hoch der Gesamtschaden durch Kupferklau ist, kann niemand genau sagen. Aber allein bei der Bahn entsteht durch Kabeldiebstähle jährlich bundesweit ein Materialschaden im zweistellige Millionenbereich.

„2009 konnten 478 Delikte in Berlin und Brandenburg zur Anzeige gebracht werden“, sagt Sven Drese von der Bundespolizei. 2010 habe es dann noch mal einen deutlichen Anstieg gegeben. „Sogar Gleise von stillgelegten Bahnstrecken werden als Eisenschrott demontiert.“ Die meisten der gefassten Täter sind Deutsche, ein Viertel stammt aus Polen. Regelmäßig fliegen Hubschrauber der Bundespolizeifliegerstaffel und der Polizei die Bahnstrecken ab. Nachts können die Beamten mittels Bildverstärkerbrille und Hightech-Wärmebildkamera aus der Höhe die Täter am Boden erfassen. Per Funk werden dann Einheiten mit Fahrzeugen zu den Verdächtigen geschickt.

Schon zwei Mal musste die Bahn die Bauarbeiten an der Strecke Berlin–Cottbus um mehrere Wochen verlängern, weil Kupferdiebe dermaßen viel Material gestohlen hatten. Nicht nur gelagerte Kabel, sondern auch fertiggestellte Oberleitungen verschwanden spurlos. Den Bauabschnitt komplett zu überwachen, sei angesichts der Länge von rund 60 Kilometern unmöglich, sagte ein Bahnsprecher.

Neuerdings haben es die Täter sogar auf Windkrafträder abgesehen. Vor wenigen Wochen verschwanden rund 400 Kilo Kupferkabel aus einem Windpark im brandenburgischen Wernikow. 19 Trafostationen wurden aufgebrochen, der Schaden wird auf 60 000 Euro geschätzt.

Aber auch mitten in Berlin ist die Polizei fast täglich mit Kupferdieben beschäftigt. Im Sommer 2008 verursachten Unbekannte in Friedrichshain beinahe lebensgefährliche Gasexplosionen. In der Warschauer und der Petersburger Straße sägten die Täter im Keller meterlange Gasleitungen durch, um die Rohre zu stehlen. Als sie das ausströmende Gas bemerkten, flüchteten sie. Die Feuerwehr musste die Häuser evakuieren.

Im März verschwand in Kreuzberg eine 60 Zentimeter hohe Bronzebüste des Gewerkschafters Hans Böckler. Die Täter haben sie vermutlich bereits eingeschmolzen. Zuletzt fasste die Polizei in Treptow zwei Männer, die nachts Teile eines kupfernen Kirchendaches abmontiert hatten. Sogar Parteien müssen um ihr Hab und Gut fürchten. Einmal habe die FDP ihn um Hilfe gebeten, sagt Ralf Schmitz vom VDM. Drei hochwertige Wahlplakatständer waren abhanden gekommen. Die Diebe hatten bemerkt, dass es sich um teures Buntmetall handelte und zugegriffen. Johannes Radke

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