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Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Margarete Koppers.

© dapd

Polizeichefin Margarete Koppers: "Wir wollten keine Hysterie"

Am 1. Mai wurden auf der Autonomendemo Rohrbomben gefunden. Informiert wurde die Öffentlichkeit erst jetzt. Polizeichefin Margarete Koppers im Interview zu dem Vorwurf, den explosiven Fund verschwiegen zu haben.

Von Frank Jansen

Frau Koppers, ist Berlin am 1. Mai nur knapp einem terroristischen Anschlag entgangen?

Mit dem Begriff wäre ich sehr vorsichtig. Wir wissen noch nicht, welche Wirkung die Rohrbomben gehabt hätten und ob sie überhaupt zündfähig waren. Und selbst wenn, hätte es möglicherweise nur einen lauten Knall gegeben. Vielleicht wären nur die Pfropfen an den beiden Enden herausgeflogen.

Aber der Inhalt der Bombe ist explosiv.

Ja, das stimmt. Das Aluminiumrohr war allerdings an beiden Enden nur mit aufgesteckten und verklebten, nicht aber verschraubten Pfropfen versehen. Wären die Enden verschraubt gewesen, wäre es wahrscheinlich, dass die Rohrbomben bei einer Explosion mit vielen Splittern auseinanderfliegen. Aufgabe der Kriminaltechnik ist es jetzt, einen Nachbau der Rohrbomben zu erstellen und diesen zu testen, bevor ich sagen kann, wie gefährlich die Aluminiumrohre waren.

Wann haben Sie vom Fund der Rohrbomben erfahren?

Am späten Nachmittag des 3. Mai. Der Leiter der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt hat mir mitgeteilt, die Kriminaltechnik habe den Fund eines hochexplosiven Gemischs in einer USBV, also einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung, gemeldet. Bis zu dem Zeitpunkt hatten weder der Polizeiführer für den Einsatz am 1. Mai noch ich von dem Vorgang Kenntnis.

Warum hat die Kommunikation in der Polizei nur so schleppend funktioniert?

Die Meldewege sind nicht eingehalten worden. Und leider haben die Polizisten, die in Kreuzberg die Rohrbomben entdeckten, deren potenzielle Gefährlichkeit nicht erkannt. Ich habe den Auftrag erteilt, den genauen Ablauf zu klären, um künftig korrekte Meldungen und damit auch die Sicherheit der Kollegen zu gewährleisten.

Wann genau war der Polizei bekannt, dass die Funde gefährlich sein könnten?

Die Rohrbomben sind erst in der Nacht zum 2. Mai den Entschärfern übergeben worden. Die sind zunächst davon ausgegangen, es handele sich um selbst fabrizierte Böller mit Schwarzpulver. Das wäre deutlich weniger gefährlich. Erst am 3. Mai um 14 Uhr 30 war klar: Es ist richtiger Explosionsstoff.

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Warum wurde dann nicht schon am 3. Mai die Öffentlichkeit informiert?

Zum Zeitpunkt meiner Unterrichtung war nicht klar, wo, wann und von wem die Rohrbomben gefunden worden waren. Ich habe daher den Auftrag erteilt, mir bis 8 Uhr des 7. Mai, zur Informierung des Innenausschusses, einen vollständigen Bericht vorzulegen und sämtliche offenen Fragen bis dahin zu klären. Es war am 3. Mai und ist nach wie vor nicht klar, ob die Rohrbomben zündfähig sind. Wir wollten keine Hysterie schüren und uns auch nicht dem Vorwurf aussetzen, die „Revolutionäre Maidemonstration“ zu Unrecht zu kriminalisieren. Der Vorwurf kommt jetzt allerdings doch, aber er ist absurd.

Seit Montag, als Sie dem Ausschuss berichteten, warnt die Polizei, es bestehe Lebensgefahr für Personen, die weitere Bomben finden. Hätte die Öffentlichkeit nicht doch früher informiert werden müssen?

Es gibt nur die Vermutung eines Polizisten, er habe in der Markgrafenstraße weitere womöglich ähnliche Gegenstände gesehen, die von Demonstranten weggekickt worden seien. Bei einer Nachsuche in der Nacht zum 2. Mai wurde nichts gefunden. Es ging mir stets darum, Panik zu vermeiden. Der Vorwurf, ich hätte das Bild gelungener Polizeieinsätze am 1. Mai und in der Walpurgisnacht nicht beschädigen wollen, ist Unsinn. Ich habe erst am Montag vor der Sitzung des Innenausschusses von einem Entschärfer erfahren, die gefundenen Gegenstände entsprächen dem klassischen Aufbau einer Rohrbombe. Dann habe ich den Abgeordneten, denen ich verantwortlich bin, Rede und Antwort gestanden und gleichzeitig die Öffentlichkeit unterrichtet.

Die Walpurgisnacht in Berlin in Bildern:

In welchem Milieu vermuten Sie diejenigen, die mit den Rohrbomben unterwegs waren?

Wir ermitteln in alle Richtungen. Es könnten Rechtsextremisten sein, aber auch Linksextremisten. Es ist auch nicht auszuschließen, dass ein unpolitischer Krimineller die Sprengkörper einsetzen wollte.

Schadet diese Geschichte Ihren Ambitionen, Polizeipräsidentin zu werden?

Das ist jetzt für mich überhaupt kein Thema. Ich bin heilfroh, dass den Polizisten, die die Rohrbomben gefunden haben, und den Demo-Teilnehmern nichts passiert ist. Und ich werde dafür sorgen, dass in Zukunft bei solchen Vorfällen sofort die Entschärfer gerufen werden.

Das Interview führte Frank Jansen

Margarete Koppers leitet seit rund einem Jahr kommissarisch die Berliner Polizei. Vor etwa zwei Jahren wurde sie zur Vizepräsidentin ernannt.

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