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Polizeigewahrsam: Lektion in Sachen Rechtsstaat

"Niemand sprach mit uns, wir mussten uns vor laufender Kamera nackt ausziehen": Die kolumbianischen Parlamentarier, die in einem Saturn-Markt mit einem 500-Euro-Schein bezahlen wollten, reisen ab - um eine Polizeierfahrung reicher.

Von Sandra Dassler

José Burgos bringt schon wieder ein Lächeln zustande: „Ein Andenken an Berlin hab’ ich ja“, sagt der 31-jährige Kolumbianer und streift die Ärmel zurück. Ein paar noch leicht gerötete Striemen werden sichtbar, Spuren von Handschellen.

Mit auf dem Rücken gefesselten Händen wurden Burgos und sein Landsmann Camilo Castro vergangene Woche in Polizeigewahrsam genommen . Wie berichtet waren die beiden Politiker, die auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung den deutschen Rechtsstaat kennenlernen sollten, in Verdacht geraten: Ein Lesegerät im Saturn-Markt des Europa-Centers hatte einen 500-Euro-Schein, mit dem sie bezahlen wollten, als Falschgeld bezeichnet.

Dass der private Sicherheitsdienst und später die Polizei der Sache auf den Grund gehen mussten, verstehen die beiden Kolumbianer natürlich. Was sie schockierte, war die Art und Weise des Vorgehens. „Niemand sprach mit uns, wir durften nicht telefonieren, mussten uns vor laufender Kamera nackt ausziehen“, erzählt Camilo Castro: „Es war entwürdigend.“ Der 30-jährige Kommunalpolitiker hat in Kolumbien gelesen, dass es in Deutschland Rassismus gibt. Diesen Rassismus habe er in diesem Moment gespürt, sagt er: „Man hat uns behandelt wie Dreck: Stirn gegen die Wand gedrückt, Beine gespreizt, nicht mit uns, sondern nur über uns geredet. Dann kamen wir in Einzelzellen, ich hatte wirklich Angst.“

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Geld nicht gefälscht war, wurden die Kolumbianer in der Nacht wieder entlassen. Die Adenauer-Stiftung forderte von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) eine Entschuldigung. Der lehnte ab. Er bedauere das Geschehen zwar, doch seine Beamten hätten sich angesichts des Verdachts korrekt verhalten, ließ er mitteilen. José Burgos, der als Assistent des kolumbianischen Innenministers Carlos Holguin arbeitet, versteht das nicht: „Auch bei Prüfung eines Verdachts gelten Persönlichkeitsrechte“, meint er: „Wir wurden ohne Erklärung der Freiheit beraubt. Stellen Sie sich mal vor, das wäre einem deutschen Parlamentarier in Kolumbien passiert.“

Inzwischen hat die größte kolumbianische Tageszeitung „El Tiempo“ über den Fall berichtet. Botschafterin Victoriana Mejia Marulanda sagte dem Tagesspiegel gestern: „Wir warten immer noch auf eine Erklärung von Herrn Körting“. An diplomatischen Verwicklungen haben Burgos und Castro kein Interesse. Sie möchten nur, dass der Vorfall untersucht wird: „Sonst wird das ja wieder passieren“, sagt Burgos: „Und bei anderen erfährt es die Öffentlichkeit vielleicht nicht.“

Eine Frage interessiert die beiden Politiker, die Deutschland gestern mit gemischten Gefühlen verlassen haben, besonders: Was geschieht mit dem Video, das von den Überwachungskameras im Saturn-Markt aufgenommen wurde? „Es zeigt uns nackt in entwürdigenden Posen“, sagt Castro. Ein Polizeisprecher versicherte auf Anfrage: „Wir werden dieses Video vernichten.“ 

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